Nur ein einziger Kuss, Mylord?
müssen, wenn sie nicht gut für Nan sorgen. Das Geld, das ich ihnen zahle, ist …“
„Geld!“ Sie spie das Wort förmlich aus. „Glaubst du wirklich, damit kannst du Nan das verschaffen, was sie am meisten braucht? Selbst wenn die Carters sie nicht misshandeln – wie wird sie sich fühlen, ohne einen Menschen, der sie liebt? Sie hat ihre Mutter verloren, verstehst du nicht, was das heißt? Angesichts dessen könntest du ihr ein Vermögen aussetzen, den Leuten befehlen, ihr höflich zu begegnen, und Duelle ausfechten, wenn sie es nicht tun – es wäre alles nichts wert.“
Sie stand auf, wirkte mit einem Mal erschöpft, niedergeschlagen. „Wenn Sie mich entschuldigen wollen, Mylord. Ich werde mich jetzt zu Serena begeben.“
„Du weißt, dass wir heute Abend bei den Postletons eingeladen sind?“, hielt er sie auf, als sie schon fast bei der Tür war. „Wir sollten nicht später als halb fünf von hier aufbrechen.“
Sie sah über die Schulter. „Selbstverständlich, Mylord. Wenn Sie der Meinung sind, dass ich in eine so erhabene Gesellschaft passe.“
„Zum Teufel, Christy!“, explodierte er. „Das ist lächerlich!“
„Es ist die Wahrheit.“ Sie trat zur Tür und öffnete sie.
„Du bist meine Frau!“
Ein Zittern durchlief sie. „Ja. Und vielleicht wäre es besser gewesen, wenn die Wespe auf meinem Glas gelandet wäre.“ Mit einer schrecklichen Endgültigkeit schloss sich die Tür hinter ihr.
Er hatte den verdammten Bericht durchgelesen und Anweisungen für die Reparatur der Cottages gegeben. Er hatte die Konten geprüft und Modbury geschrieben, er solle die vorgeschlagenen Investitionen durchführen. Er hatte auf die Mitteilung des Vikars geantwortet und Janes Beerdigung auf übermorgen festgelegt. Weiterer Möglichkeiten beraubt, dem, was ihn wirklich beschäftigte, aus dem Weg zu gehen, schob Julian die Schreibgarnitur von sich und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
Glaubte Christy wirklich, er hätte Erleichterung verspürt, wenn sie es gewesen wäre, die starb? Sein Verstand sagte ihm, dass sie die Bemerkung nur gemacht hatte, weil sie verletzt war. Aber verletzt hatte er sie. Und es lag eine gewisse Logik in ihrem Gedankengang – ihre Herkunft war nicht weniger suspekt als Nans.
Aber zur Hölle, er hatte ihren Vater in die Schranken verwiesen, ihn für sein Verhalten ihr gegenüber verurteilt … ihren Vater, der sie verstoßen hatte, ohne sie auch nur einmal mit Namen zu nennen. Genau wie die Carters bei Nan …
Was hatte Christy zu den Carters gesagt? Vergebens kramte er in seiner Erinnerung … irgendetwas über den Apostel Paulus.
Er schob seinen Stuhl zurück und trat zum Fenster. Auf dem Rasen vor dem Witwensitz entdeckte er seine Geschwister. Emma, Matt und Davy. Nan war nicht bei ihnen. Wahrscheinlich befand sie sich bei Serena und Christy. Jedenfalls glaubte er neben den beiden größeren Gestalten, die dort unter der alten Eiche im Schatten saßen, eine kleinere auszumachen.
Was war es nur gewesen, was Christy über Paulus gesagt hatte? Er schob den Gedanken beiseite.
Und was zum Teufel sollte er jetzt tun? Christy hatte recht, er konnte Nan nicht zu den Carters geben. Sein Gewissen verbot es ihm. Wäre er ohne Christy darauf gekommen? Ohne sie hätte er alles aus der Entfernung arrangiert, die Carters womöglich nicht einmal persönlich kennengelernt. Sie herzubitten war ein Zugeständnis an Christy gewesen. Um sie zu beruhigen.
Er erinnerte sich an seine eigene Bestürzung, als seine Mutter plötzlich verschwunden war. Niemand hatte sie je wieder erwähnt. Ihr Porträt war entfernt worden, und sein Vater hatte ihm befohlen, sie zu vergessen. Es war ihm unmöglich gewesen, aber er hatte so getan als ob, weil es die Dinge leichter machte. Und als sein Vater Serena geheiratet hatte, war er entschlossen gewesen, sie zu hassen. Auch das hatte sich als unmöglich erwiesen. Und dann war Serena diejenige gewesen, die sich seines verbotenen, wortlosen Kummers nach dem Tode seiner Mutter angenommen hatte.
Er hatte entsetzlich gelitten. Und er war zu der Zeit schon fünfzehn gewesen. Wie sollte es erst einem kleinen Mädchen von fünf ergehen, wenn man ihm verbot, von seiner Mutter zu sprechen? Es ihm unmöglich machte, sich in Liebe an sie zu erinnern?
Diese Bemerkung Christys über den Apostel Paulus … Er trat an das Bücherbord, in dem die alte Familienbibel stand, und zog sie hervor. Paulus … Er blätterte durch das Neue Testament, überflog den ersten Brief an
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