Nur ein einziges Mal …
richtig denken können.
Ihr angeschlagenes Ego brauchte dringend ein wenig Auftrieb. Während sie durch das Foyer schlenderte, warf sie einen Blick in die Geschenkboutique und betrachtete nachdenklich die dort ausgestellten Dessous im altmodischen Stil. Barfuß, wie sie war, ging Ashley schnurstracks auf ein zartrosa Satinnachthemd zu. Sehnsüchtig strich sie über die fein gearbeitete Spitze, die als breite Streifen in das Oberteil eingearbeitet war und den Saum des V-Ausschnitts im Stil der 1920er-Jahre verstärkte.
Wie sehr hatte sie sich in ihrer Kindheit zarte Unterwäsche gewünscht. Aber Ashley hatte damals immer praktische Baumwollsachen getragen, die sie über das Korsett gezogen hatte. Zum Glück brauchte sie das längst nicht mehr. Nur eine leichte Schiefstellung der Wirbelsäule war geblieben, die allerdings niemandem auffiel. Doch auch wenn sie das Korsett nicht mehr trug, kam es Ashley manchmal so vor, als könnte sie sich nicht vorbeugen.
Ashley nahm den Kleiderbügel vom Ständer und eilte damit an den Regalen mit Gedichtbänden und Badeschaumflaschen vorbei zur Damentoilette. Hätte sie dieses Hemdchen doch nur gestern getragen! Die Nacht mit Matthew wäre vielleicht nicht anders zu Ende gegangen, aber wenigstens hätte sie die Genugtuung gehabt, ihm sehr viel verführerischer in Erinnerung zu bleiben.
Im Handumdrehen landete ihr Bademantel auf den Fliesen zu ihren Füßen.
Ashley vermied es, ihr Spiegelbild anzusehen, eine Angewohnheit, die ihr seit langem in Fleisch und Blut übergegangen war. Stattdessen konzentrierte sie sich auf das hübsche Nachtgewand. Ihren beiden Pflegeschwestern hatte sie zu deren kurz hintereinander stattfindenden Hochzeiten Wäsche im gleichen Stil geschenkt.
Der Satin fühlte sich auf ihrer noch immer von den lustvollen Liebesfreuden mit Matthew erhitzten Haut wie ein kühler Schauer an. Wohlig erschauernd sank sie auf die mit einem Gobelinstoff bezogene Chaiselongue im französischen Stil, die sie günstig bei einer Auktion ersteigert hatte. Dann zündete sie die Duftkerze neben sich an, um die sinnliche Atmosphäre zu vervollständigen. Das Kerzenlicht warf tanzende Schatten auf die verblasste Tapete, und es duftete entspannend nach Lavendel.
Ganz bewusst konzentrierte sie sich aufs Atmen, um ihre Anspannung loszuwerden, während sie sich genüsslich der behaglichen Atmosphäre hingab. Sie zog eine bunte Wolldecke um sich. Vielleicht konnte sie doch noch ein klein wenig schlafen.
Eine ganze Weile später atmete Ashley erneut tief durch. Und musste husten. Dann fuhr sie mit einem Satz in die Höhe, denn es roch nicht mehr nach Lavendel, sondern nach …
Rauch.
Den Blick starr auf den sommerlichen Sonnenaufgang über dem Meer gerichtet, versuchte Matthew Landis einen klaren Kopf zu bekommen, während er auf der Straße kehrtmachte und zurückfuhr, um seine Aktentasche zu holen, die er im „Beachcombers“ vergessen hatte.
Kurz darauf parkte er seinen Wagen erneut vor dem Haus, in dem alles angefangen hatte – mit Ashley Carson. Er war stolz darauf, dank sorgfältiger Planung nie einen Fehltritt zu begehen. Aber diese spontane Liebesnacht mit ihr war ganz bestimmt nicht geplant gewesen.
Als gewählter Politiker hatte er geschworen, sich für das Wohl der Menschen einzusetzen, andere zu beschützen und ihnen zu helfen, besonders den Schwachen. Doch letzte Nacht hatte er eine der verletzlichsten Frauen, die er kannte, ausgenutzt.
Er war stets vorsichtig bei der Wahl seiner Geliebten gewesen, denn obwohl er nicht vorhatte, jemals zu heiraten, konnte er unmöglich leben wie ein Mönch. Damals auf dem College hatte er sich unsterblich verliebt, um bald darauf seine große Liebe durch einen seltenen angeborenen Herzfehler zu verlieren. Er hatte nicht einmal die Chance bekommen, Dana seiner Familie vorzustellen. Bis heute wusste niemand von ihrer Verlobung. Die Vorstellung, jemandem davon zu erzählen, war ihm seither unerträglich vorgekommen. Als würde er damit ihre kurze gemeinsame Zeit verraten.
Danach hatte er sich darauf konzentriert, sein Studium an der Duke University abzuschließen und als Politiker in die Fußstapfen seiner Familie zu treten. Der Reichtum der Landis’ ermöglichte ihm, sich dabei nicht um sein Bankkonto zu sorgen. Sein Leben war ausgefüllt.
Was zum Teufel machte er also hier?
Ashley Carson war sexy, keine Frage, und ihre einnehmende Art wurde noch dadurch betont, dass ihre enorme Ausstrahlung ihr anscheinend selbst gar nicht
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