Nur ein Gerücht
der anderen Seite. Schau, wie ich es mache.«
Ohne viele Worte legte sie los. »Was fehlt ihm?«, fragte sie.
»Er hat eine Kolik.«
»Woher?«
»Bei empfindlichen Pferden reicht schon ein Wetterumschwung. Aber Finn ist robust. Dann durch zu wenig Bewegung, aber auch das trifft auf ihn nicht zu. Und dann natürlich durch falsches oder zu viel Futter. Gestern hat jemand unreife Äpfel auf den Weiden verstreut. Ich dachte, ich hätte alle gefunden. Vielleicht habe ich aber welche übersehen.« Wir hielten wieder an, um Finns Flanken zu massieren. »Jemand treibt auf dem Bungehof sein Unwesen, Susanne.«
»Der alte Pattberg?«
»Ausgeschlossen ist es nicht, aber je länger ich darüber nachdenke, desto weniger kann ich mir vorstellen, dass er sich an den Pferden vergreifen würde.« Dann erzählte ich ihr von meinem Gespräch mit Melanie und ihrem Ausspruch, sie würde mir nicht verzeihen. »Aber auch sie würde den Pferden nichts tun.«
»Der eigene Bruder wird ihr näher stehen als die Pferde, auch wenn du dir das als Einzelkind und mit einem Pferd als große Liebe nicht vorstellen kannst.«
Wir hatten uns mit Finn wieder in Bewegung gesetzt, und zum ersten Mal seit einer Dreiviertelstunde hatte ich das Gefühl, dass er sich ein wenig lockerte.
»Aber für den Diebstahl der Reitausrüstung und die Plastikbänder kann sie nicht verantwortlich sein. Das war vor unserem Gespräch, und da hatte sie ja noch gar keinen Grund, mir schaden zu wollen.« Gar keinen?, fragte ich mich. Hatte sie mir nicht vorgehalten, dass ich die Neumanns abgeworben hatte, und damit quasi versucht zu erpressen, dass ich zu Udos Beerdigung kam? »Wenn ich es mir recht überlege ... einen Grund hätte sie vielleicht gehabt, aber der erscheint mir ziemlich abwegig.« Während wir anhielten und unsere Massage fortsetzten, berichtete ich ihr von Melanies Vorwurf und Unterstellung.
»Na bitte - da hast du deinen Grund!«
»Ich glaube das nicht, Susanne. Du hättest sie sehen sollen, sie war nur noch ein Häufchen Elend. In diesem Zustand soll sie auch nur einen Gedanken daran verschwendet haben, sich an mir für den Weggang der Neumanns zu rächen? Der liegt Monate zurück.«
»Aber sie hat ihn benutzt, um dich zum Kommen zu bewegen. Außerdem kommt gerade in solchen Zuständen die Erinnerung an alte Verletzungen hoch.«
Dieser Einwand war nicht von der Hand zu weisen. »Vielleicht sollte ich noch einmal mit ihr reden.«
»Gute Idee!«
Nach ein paar weiteren Runden im Schritt und zwei Massagen schien es Finn endlich besser zu gehen. Zur Sicherheit nahm ich ihn mit in den Stall, um ihn dort weiter zu beobachten.
»Ohne mich wärst du aufgeschmissen, oder?« Basti hatte sich mir gegenüber ins Büro gesetzt und trank einen Kaffee. »Ist das der Versuch, durch gesundes Selbstbewusstsein an eine Gehaltserhöhung zu kommen?«, fragte ich müde. Ich spürte meinen Einsatz bei Finn in jedem Muskel.
»Nein, nur der Versuch, mal außer der Reihe an ein Lob zu kommen.«
»Meinst du, du kommst in dieser Hinsicht zu kurz?«
Seine Antwort kam ohne Zögern. »Ja! Du bist ständig mit deinen Gedanken woanders.«
»Bei dem, was hier vorgeht, ist das kein Wunder«, verteidigte ich mich.
»Wie willst du herausfinden, was hier vorgeht, wenn du nur körperlich anwesend bist? Ich hingegen habe geistesgegenwärtig meinen Großvater gefragt, ob er etwas damit zu tun hat.«
»Und?«
»Hat er nicht.«
lch brauchte Basti nur ins Gesicht zu sehen, um zu erkennen, dass er ihm glaubte. »Danke für deine Hilfe«, sagte ich matt. Und mit einem Lächeln: »Ohne dich wäre ich aufgeschmissen.«
»Willst du nicht wissen, was er sonst noch gesagt hat?« Er wich meinem Blick aus. »Er hat fest vor, dich vom Bungehof zu vertreiben.« Sein Unbehagen war ihm deutlich anzusehen. Augenblicklich machte sich ein Kloß in meiner Kehle breit. »Und warum?«
»Er hat nur gesagt: Geschäfte . Ich habe ihm vorgehalten, dass ich dann meinen Job verlieren würde, aber das hat ihn überhaupt nicht interessiert. Mein Job auf dem Bungehof sei nur einer von vielen, aber er könne das Geschäft seines Lebens machen.«
»Das hat er gesagt?«
Basti nickte. Endlich sah er mich wieder an.
»Und du hast nicht herausfinden können, was er damit gemeint hat?«
»Nein, keine Chance.« Er sah ratlos aus - es war, als hielte er mir einen Spiegel vor. Wir sahen uns schweigend an, bis er den Blick senkte und ihn über meinen Schreibtisch wandern ließ.
»Sind da wenigstens schöne
Weitere Kostenlose Bücher