Nur ein Gerücht
dass das ein bisschen viel auf einmal ist?«
»Da gebe ich Ihnen Recht! Wenn das so weitergeht, wird der Ruf des Bungehofs über kurz oder lang ruiniert sein. Und jetzt nehmen Sie den kleinen Rotfuchs und verschwinden Sie!« Als er die Tür zuschlug, zuckte ich zusammen. Nur mit Mühe konnte ich meine Tränen zurückhalten.
Susanne strich mir eine Locke aus dem Augenwinkel. »Es war einen Versuch wert.«
»Danke für deine Hilfe.«
»Wollen wir zusammen essen?«
»Heute Abend ist mir nicht danach.«
Nachdem ich mich von ihr verabschiedet hatte, ging ich im Licht der letzten Sonnenstrahlen zu Oskar auf die Weide. Mit einem Schnauben legte er seinen Kopf auf meine Schulter und ließ sich streicheln.
»Eigentlich bräuchte ich eine Schulter«, stammelte ich, während mir die Tränen übers Gesicht liefen. Ich strich über seinen Hals und legte schließlich meine Arme über seinen Rücken. Während Oskar mich zart mit seinen Nüstern anstupste, schluchzte ich in sein Fell. »Was kann ich nur tun?«
»Mit dieser Frage überforderst du ihn«, sagte Susanne leise. Sie war wie aus dem Nichts neben mir aufgetaucht.
»Warum bist du nicht nach Hause gefahren?«
»Ich hatte das Gefühl, du brauchst Hilfe.«
»Mir ist nicht zu helfen.« Das Pochen in meinem Kopf war unerträglich.
»Das wollen wir erst einmal sehen.«
10
W ir saßen in ihrer Küche, tranken heiße Brühe und zerbrachen uns den Kopf, wer es auf den guten Ruf des Bungehofs abgesehen haben könnte.
»Und wenn es beide sind - Melanie und der alte Pattberg?« Ich hatte ausgesprochen, was mich schon den ganzen Tag nicht losgelassen hatte.
»Dann müssten sie gemeinsame Sache machen«, sagte Susanne.
»Nicht unbedingt. Es könnte Zufall sein.«
»Ich glaube nicht an Zufälle.«
»Dann stell dir vor, es sei eine fatale Planetenkonstellation. Wie auch immer - möglich wäre es. Vielleicht sollte ich noch einmal mit Melanie reden.«
Susannes skeptischer Blick machte mir nicht viel Hoffnung. »Und wenn ich zur Polizei ginge?«, schlug ich vor.
Ihre Lippen bildeten eine harte Linie. »Den Weg kannst du dir sparen. Die tippen höchstens eine Anzeige gegen Unbekannt ein und lassen dann den Vorgang auf einem Aktenberg verschimmeln.«
»Hast du zu viele schlechte Filme gesehen?«
»Nein, ich habe mich nur früh von meiner Naivität verabschieden müssen.«
Ich hätte sie gerne gefragt, was diesen Abschied erzwungen hatte, doch ein Blick in ihr verschlossenes Gesicht riet mir davon ab. Stattdessen stellte ich ihr die Frage, die mir auf der Seele brannte. »Wie geht es Christian?«
»Gut.« Sie stutzte. »Lässt er dich etwa hängen, weil er mit der Köster herumscharwenzelt?«
»Köster?« Hieß nicht die Reitschülerin von Basti so?
»Ich habe dir von ihr erzählt die Blonde mit der Ausstrahlung .«
In meinem Pulsschlag machte sich Unruhe breit. »Läuft da etwas zwischen Christian und ihr?«
»Wie soll ich das wissen?«
»Du weißt ja offensichtlich auch, dass er mit ihr herumscharwenzelt.«
»Hin und wieder sehe ich die beiden zusammen in der Halle.« Sie sah mich, eindringlich an und schlug sich dann gegen die Stirn. »0 mein Gott, bin ich denn blind?«
Von einer Sekunde auf die andere liefen mir Tränen über die Wangen. Mit einer fahrigen Bewegung wischte ich sie weg. »Manchmal bin ich wirklich ein unsensibles Trampel! Soll ich sie für dich ein wenig ausspionieren?«, fragte sie mitfühlend.
»Wozu soll das gut sein?«
»Es ist wichtig, über die Konkurrenz Bescheid zu wissen.«
»Konkurrenz ... ich bitte dich!«
»Sie ist eine, sogar eine ernst zu nehmende, glaube mir.«
»Ist es okay, wenn wir unser Gespräch ein anderes Mal fortsetzen?«, fragte ich schwach.
»Es ist auch okay, wenn wir es gar nicht fortsetzen.« Sie kam auf mich zu, setzte sich neben mich und legte ihren Arm um meine Schultern.
In dieser Nacht lag ich lange wach und versuchte Christians Gesicht, das sich immer wieder vor mein inneres Auge drängte, durch andere Bilder zu ersetzen. Als mir nach einer Weile die Motive ausgingen, stand ich auf, zog mir ein Sweatshirt über und ging mit einer Decke unter dem Arm hinters Haus zu meinem Lieblingsplatz auf den Steinen. Vom sternenklaren Nachthimmel schweifte mein Blick hinab zu den Lichtern von Hohwacht. Früher war ich mit meinen Eltern sonntags manchmal zum Essen dorthin gefahren. Damals hatten wir noch das Bild einer ganz normalen Familie verkörpert. Bis es auseinander gebrochen war und nur Scherben
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