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Nur ein Gerücht

Titel: Nur ein Gerücht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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zurückgeblieben waren. Ich erinnerte mich daran, wie Franz Lehnert meinen Vater beschrieben hatte - als einen wunderbaren, feinsinnigen und warmherzigen Menschen. Wenn ich an ihn dachte, dann kamen mir keine Adjektive in den Sinn, sondern nur ein einziges Bild. Es hatte sich mir offenbart, als ich jene Tür geöffnet hatte, an jenem Nachmittag, der ... Ich fuhr mir über die Augen, um es wegzuwischen, aber es blieb und mit ihm die Erinnerungen an alles, was es heraufbeschworen hatte.

    Mit einem Ruck stand ich auf, balancierte im Dunkeln vorsichtig über die Steine und ging wieder hinein. Durch das gekippte Fenster hörte ich das Meer rauschen, dessen einschläfernde Wirkung mir in dieser Nacht jedoch versagt blieb. Ich fand keine Ruhe. Zu vieles war in letzter Zeit geschehen. Und ich hatte die ungute Ahnung, dass das noch nicht alles gewesen war.
    Als schließlich die ersten Vogelstimmen die Morgendämmerung ankündigten, brauchte es drei Becher Kaffee, bis sich der Nebel in meinem Kopf verflüchtigte und ich mir zutraute, den vor mir liegenden Tag in Angriff zu nehmen. Dessen wirklich sicher war ich erst, als Oskar mit einem freudigen Wiehern ein Lächeln auf mein Gesicht zauberte. Sekundenlang lehnte ich meine Stirn gegen seine, bis er mich mit einem Ruck von sich schob und laut prustete.
    »Du verfressener Kerl!« Ich schob ihm eine Karotte nach der anderen ins Maul. »Du könntest wenigstens so tun, als würdest du dich für meine Probleme interessieren.«
    Anstatt einer Antwort schob er seine Oberlippe vor und suchte die Tasche meiner Reithose nach weiteren Leckereien ab. Als auch die letzte Rübe in seinem Maul verschwunden war, begnügte er sich gottergeben mit Streicheleinheiten.
    Liebevoll sah ich dieses Pferd an, dessen Freundschaft ich mir so mühsam hatte erkämpfen müssen. Einmal mehr war ich dem Schicksal dankbar, dass es uns zusammengeführt hatte.
    »Die Ringe unter deinen Augen sind preisverdächtig«, sagte Basti, als wir gemeinsam die Pferde fütterten. »Würdest du zur eitlen Riege deiner Geschlechtsgenossinnen gehören, hättest du heute ein ernst zu nehmendes Problem.«
    »Ernst zu nehmende Probleme habe ich, auch so schon genug.«
    »Du solltest dir nicht so viele Sorgen machen, Carla. Was ist denn letztendlich passiert? Ein paar Gegenstände fehlen und ein Reifen ist zerstochen worden.«

    »Und was ist mit den Plastikbändern, den Äpfeln und Finns Kolik?«
    »Koliken gibt es immer mal wieder, dagegen ist kein Reitstall gefeit.«
    »Aber du musst zugeben, dass sich die Vorkommnisse auf dem Bungehof häufen.«
    »Eigentlich hat alles erst angefangen, seitdem ich hier bin«, meinte er zögernd. »Vielleicht hat es der eine oder andere Freund einer unserer Helferinnen auf mich abgesehen. Vielleicht hat sich eines der Mädchen in mich verguckt und damit jemanden eifersüchtig gemacht.«
    »Basti, hast du etwa mit einer von ihnen etwas angefangen? Ich. habe dich ausdrücklich gebeten ...«
    »Keine Sorge, ich bin gegen schmachtende Blicke von jungen Mädchen immun.«
    »Tatsächlich? Wie ungewöhnlich... «
    »Das kommt auf die Perspektive an«, entgegnete er vieldeutig. »Um aber auf unser eigentliches Thema zurückzukommen: Wer immer hier sein Unwesen treibt, könnte es auch auf mich abgesehen haben.«
    »Aber wieso wird dann der Reifen eines Besuchers zerstochen?«
    »Um deinen Unmut zu schüren. Alles hat angefangen, seit ich hier bin. Du könntest deshalb durchaus zu dem Schluss kommen, dass es das Beste wäre, mir wieder zu kündigen.«
    »Basti, ich weiß nicht ...«
    »Es ist zumindest eine Möglichkeit.«
    Auf der Fahrt nach Lütjenburg ließ ich mir Bastis Spekulationen noch einmal durch den Kopf gehen, aber sie waren mir zu weit hergeholt. Melanie hingegen hatte ganz nahe liegende Gründe, mir schaden zu wollen.
    Ich bog in die Straße, die zu ihrem Reiterhof führte. Ebenso wie der Bungehof lag er inmitten von Wiesen und Feldern. Nachdem ich meinen Wagen geparkt hatte, machte ich mich auf die Suche nach Udos Schwester. Als ich in die Stallgasse bog, wäre ich fast in sie hineingelaufen.
    »Scher dich zum Teufel!«, sagte sie anstatt einer Begrüßung. Die Kälte in ihrer Stimme glich der in einem gut gekühlten Eisfach.
    »Guten Morgen, Melanie. Hast du ein paar Minuten Zeit? Ich würde gern mit dir reden.«

    Sie musterte mich abfällig. »Eine Minute - mehr bekommst du nicht.«
    »Das wird nicht reichen.«
    »Hättest du Erfahrung mit Entschuldigungen, dann wüsstest du, dass die

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