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Nur ein Gerücht

Titel: Nur ein Gerücht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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es nur Worte.
    Ich musste daran denken, mit wie viel Überzeugung ich ihr prophezeit hatte, das sei das Letzte, was ich tun würde.
    »Du schon wieder«, begrüßte Melanie mich. Sie striegelte ein an der Stallwand angebundenes Pferd, dessen Fell in der Sonne bereits glänzte. Die Vitalität des Tieres stand in krassem Gegensatz zu dem Eindruck, den sie vermittelte. Ihn als jämmerlich zu beschreiben wäre untertrieben gewesen. Ihre Gesichtsfarbe war noch fahler als bei unserer letzten Begegnung, ihren Bewegungen fehlte jede Kraft. Es wäre ein Hohn gewesen, sie zu fragen, wie es ihr gehe.
    »Ich habe noch einmal über alles nachgedacht, Melanie«, begann ich. »Du weißt schon ... über die Sache mit deinem Bruder.« Mir wurde schlecht bei meinen Worten.
    Sie reagierte nicht. Ich war nicht einmal sicher, ob sie mir überhaupt zuhörte.
    »Ich habe dir unrecht getan, es ... «
    »Ihm«, unterbrach sie mich. »Ihm hast du unrecht getan. Udo!« Sie sah mich immer noch nicht an.
    »Also gut.« Entschieden schluckte ich gegen meinen inneren Widerstand an. »Ich habe Udo Unrecht getan. Das tut mir sehr Leid, und ich möchte mich dafür bei dir entschuldigen. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist, dass ich so reagiert habe.«
    Sie hielt in ihrer Bewegung inne, drehte sich langsam zu mir um und forschte in meinem Gesicht. Ich nahm an, sie suchte darin nach der Wahrheit. »Woher dieser plötzliche Sinneswandel?«
    »Ich möchte, dass du mir verzeihst.« Wäre es nicht um meine Existenz gegangen, wären mir diese Worte nicht über die Lippen gekommen. Am liebsten hätte ich sie zur Rede gestellt, sie angeschrien und ihr gedroht.
    Mit bedächtigen Schritten kam sie auf mich zu. »Was hat dich dazu veranlasst, von deinem selbstgerechten Thron hinabzusteigen?« Sie blieb dicht vor mir stehen und ließ mich nicht aus den Augen. »Wackelt er womöglich?«
    Warum fragte sie? Sie hatte es doch darauf angelegt. Mir kam die Galle hoch. »Lass uns bitte versuchen, all den Groll zu begraben. Mir bekommt er nicht und dir bestimmt auch nicht.«
    »Das lass mal meine Sorge sein, was mir bekommt und was nicht.«
    Was wollte sie - dass ich auf den Knien vor ihr rutschte und sie anflehte? Es waren zwar nur Worte, wie Susanne meinte, aber manche blieben besser unausgesprochen. Ich sah sie stumm an. Meinem abwartenden Blick gelang es jedoch nicht, ihr eine Reaktion zu entlocken.
    »Melanie, es ist niemandem damit gedient, wenn du weiter auf mich böse bist.«
    »Böse ist untertrieben. Und wer sagt, dass niemandem damit gedient ist? Wenigstens spüre ich etwas, wenn ich wütend auf dich bin. Alles andere ist tot.«
    »Sag mir, was ich tun soll, damit du mir verzeihst.«
    Als wäre ein Schalter umgelegt worden, schien sie von einer Sekunde auf die andere in sich zusammenzufallen. »Ich kann noch nicht einmal mehr weinen«, stammelte sie, »es ist alles tot, wie abgeschnitten.«
    Ich sah sie an und fragte mich, woher sie die Kraft genommen hatte, ihre Sabotageakte gegen mich in die Tat umzusetzen. Sie war ein Häufchen Elend, das unter anderen Umständen mein Mitgefühl verdient hätte. »Und wenn du mal Urlaub machst?«
    »Dann würde alles noch viel schlimmer. So habe ich wenigstens meine Arbeit und bin ein bisschen abgelenkt.«
    »Melanie ... es tut mir wirklich Leid.« Dieses Mal musste ich mich nicht verstellen. »Kann ich irgendetwas für dich tun?«
    Wie verloren sah sie durch mich hindurch. Nach einer mir unendlich erscheinenden Weile schien ihr Blick zu mir zurück. zukehren. »Ich glaube nicht. Ich hoffe einfach auf die Zeit. Die meisten sagen, mit der Zeit würde es besser.«

19
    D iese Sache mit der Zeit ist seltsam, überlegte ich, während ich auf den Steinen hinter meinem Haus dem Sonnenuntergang zusah. Manchen Dingen nahm sie den Stachel, bei anderen hingegen ließ sie ihn wachsen. So ging es mir mit Christian. Mit jedem Tag, der ins Land zog, wurde der Schmerz ein bisschen größer. Weder den aufwühlenden Gesprächen der vergangenen Tage noch den alarmierenden Ereignissen war es gelungen, die Gedanken an ihn zu verdrängen. Wäre es wenigstens nur Eifersucht auf Nadine gewesen - damit hätte ich fertig werden können. Aber es war mehr. Und das ängstigte mich.
    »Carla?!«, hörte ich jemanden rufen.
    »Ich bin hinterm Haus.«
    Sekunden später balancierte Susanne über die Steine und ließ sich neben mir nieder. »Hallo«, sagte sie außer Atem.
    »Bist du hierher gerannt?«
    »Nicht ganz, ich habe das Fahrrad

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