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Nur ein Gerücht

Titel: Nur ein Gerücht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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»Dann ist er also einer von denen, die erst mal den steinigen Weg zurücklegen mussten.« Ihr Tonfall zeugte von Mitgefühl. Mit ihm? Für einen Moment fehlten mir die Worte. »Und mich hat er gleich mit über diesen Weg gezerrt«, sagte ich sarkastisch. Ich erzählte ihr von den  glorreichen Fünf  und auf welche Weise sie sein Bekenntnis zur Homosexualität ausgeschlachtet hatten. »Ich war nicht nur die dicke Planschkuh, ich war auch der Schwulenbalg, das Kuckucksei und die Lesbe.«
    »Hattet ihr keinen Vertrauenslehrer, mit dem du über so etwas hättest reden und der hätte eingreifen können?«
    »Natürlich hatten wir den, aber ich hatte Angst, dass es dann nur noch schlimmer werden würde.« Einen Moment lang verlor ich mich in meinen Erinnerungen. »Mein Vater war damals erwachsen, er hätte wissen müssen, dass seine Handlungen Konsequenzen haben, und zwar nicht nur für ihn.«
    »Ich denke, dass ein Mensch in seiner Situation nichts anderes tut, als über die Konsequenzen nachzudenken. Aber er versucht auch, gegen die Qual anzugehen, die es bedeutet, auf Dauer seine eigene Identität zu verleugnen.«
    »Du klingst, als hättest du dich mit Franz Lehnert verbündet.« 
    »Glaubst du allen Ernstes, dass es deinem Vater leicht gefallen ist? Dass er nicht gezweifelt und gehadert hat? Dass er keinen Preis gezahlt hat?«
    »Und was ist mit dem Preis, den meine Mutter gezahlt hat? Und ich?«
    »Ihr habt alle dafür bezahlen müssen. Aber dein Vater hat sich das nicht ausgesucht. Er hatte keine Wahl.«
    »Natürlich hatte er die. Ich hatte an dem Nachmittag damals nicht das Gefühl, dass der Typ ihn vergewaltigt hat.«
    »Dieser Zynismus steht dir nicht, Carla. Außerdem weißt du genau, dass du ihm Unrecht tust.« Ihr Tonfall hatte an Schärfe gewonnen, woraufhin die Katzen beleidigt von der Liege sprangen. »Und mit dem Selbstmitleid, in dem du badest, tust du dir keinen Gefallen. Hast du dich mal gefragt, warum du deine Baseballschläger-Therapie nicht auch bei deinem Vater angewandt hast?«
    »Ich verstehe nicht, was du meinst«, wich ich aus.
    »Das glaube ich dir nicht.« Sie hielt meinen Blick fest. »Diese fünf hast du dir einem nach dem anderen vorgenommen, sie nach allen Regeln der Kunst zusammengeschlagen und dich an ihnen gerächt. Warum hast du das Gleiche nicht mit deinem Vater gemacht?«
    »Wer sagt dir, dass ich das nicht getan habe?«
    »Meine Intuition. Also, warum hast du es nicht getan?«
    Ich tat, als habe ich ihre Frage nicht gehört.
    »Dann sage ich es dir: Weil du den Unterschied erkannt hast.
    Die fünf waren Sadisten, und das ganz bewusst. Dein Vater hat dir wehgetan, aber er hatte nie vor, dich zu verletzen. Ihm kannst du nur verzeihen. Ich bin sicher, dein Vater wünscht sich nichts sehnlicher. Indem du ihm das versagst, meinst du, die Kontrolle zu behalten. Du hast Angst, den Geschehnissen wieder so hilflos ausgeliefert zu sein, wie du es als junges Mädchen warst. Aber du bist zwanzig Jahre älter, Carla. Du bist nicht mehr hilflos.«
    Vielleicht hätte ich Susanne an diesem Morgen mit in den Stall. nehmen sollen, dann hätte sie auch Basti etwas über die Kunst des Verzeihens erzählen können. Er machte mir Vorwürfe und ließ keines meiner Argumente gelten. Ich hätte ihn enttäuscht und einen vielleicht nicht wieder gutzumachenden Vertrauensschaden zwischen ihm und seinem Großvater verursacht. So etwas ließe sich nicht ohne weiteres entschuldigen. Außerdem zähle er nicht zu jenen bequemen Kreaturen, die meinten, der Zweck heilige jedes Mittel. Wenn ich ein bisschen länger darüber nachgedacht hätte, wäre ich ganz sicher auf eine bessere Lösung gekommen.
    Die ganze Unterhaltung hatte in einer beachtlichen Lautstärke stattgefunden, was Heide dazu veranlasste, sich zwischen uns aufzubauen und uns mit dem Hinweis »Die Pferde!« zurechtzuweisen. Fast augenblicklich musste ich an meinen kurzen Traum in Susannes Badewanne denken. Ich sparte mir jedes weitere Wort und floh ins Büro.
    Ich hatte die Tür noch nicht ganz aufgestoßen, als das Telefon klingelte. Ulf Neupert teilte mir mit, dass er der Kündigung des alten Pattberg widersprochen habe. Eine Kopie seines Schreibens gehe mir per Post zu. Meine Frage, ob er es angesichts der zahlreichen Taten des Alten nicht langsam für angebracht hielte, die Anzeige gegen Unbekannt in eine gegen Hans Pattberg umzuwandeln, beantwortete er mit einem klaren Nein. Immerhin hätte ich mir den einzigen wirklichen Beweis, nämlich das

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