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Nur ein Gerücht

Titel: Nur ein Gerücht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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 blieben«, sagte Susanne wie zu sich selbst.
    »Ja. Ich glaube, sie kosteten jede Sekunde von Nadines Qual aus. Sie hielten ihr vor, wie ekelhaft es sei, dass der Blutgeruch schon durchs Klassenzimmer ziehe und dass mit ihr etwas nicht stimmen könne, denn sie blute ja wie ein angestochenes Schwein.« Mir stiegen Tränen in die Augen.
    »Diese miesen kleinen ...«
    »Sie hat sie angefleht, hinauszugehen und sie in Ruhe zu lassen, aber sie gingen nicht. Im Gegenteil: Sie zerrten ihr die Schultasche vom Schoß und zogen sie auf ihrem Stuhl in den Gang zwischen den Reihen. Dort machte Udo dann Fotos von ihr.«
    »Nein!« Susannes Augen weiteten sich vor Entsetzen.
    In einem steten Strom liefen mir Tränen übers Gesicht. »Ein paar Tage später kursierten diese Fotos auf dem Schulhof.« Das Schweigen, das meiner Erzählung folgte, dauerte nicht lange. »Du hast sie hängen lassen«, sagte Susanne. Sie klang, als wäre sie gerade aus allen Wolken gefallen. »Du bist da hinter der Tür stehen geblieben ...«
    Ich nickte, während mir ein Schluchzen die Kehle eng werden ließ.
    »Hat sie dir das je verziehen?«, fragte sie nach einigen Minuten, die mir wie eine Ewigkeit vorkamen.
    »Ich habe sie darum gebeten, aber nachdem ich zwanzig Jahre mit meiner Entschuldigung gewartet habe, kann ich nicht von ihr verlangen, dass sie meiner Bitte sofort nachgibt.« 
    »Zwanzig Jahre? «
    »Ich habe mich vorgestern mit ihr getroffen, sie macht Urlaub hier. Du kennst sie übrigens. Nadine ist die  Blonde mit der Ausstrahlung.  «
    »Was? Das ist deine Nadine?«, fragte sie verwundert.
    »Ja. Ich weiß noch, wie du sie mir beschrieben hast: als unglücklich und wie jemanden, der ständig in Kampfbereitschaft ist. So habe ich sie auch empfunden. Sie leidet immer noch sehr unter der Zeit damals.«
    »Zeig mir die Frau, die so etwas vergisst.« Nachdenklich sah Susanne vor sich auf die Steine, während sie mit einem Stöckchen in den Ritzen herumstocherte. »Was will sie nach all den Jahren auf einmal hier?«
    »Ich weiß nur, dass sie Karen wiedersehen wollte, um herauszufinden, ob sie bereut, was damals geschehen ist.«
    Susanne sah mich erstaunt an und runzelte die Stirn. »Sie tut sich keinen Gefallen, wenn sie die Dinge nicht ruhen lässt. Ich war auch einmal so unglücklich, so voller Groll und Hass auf Lutz und die Freundin, die wegen der Schulden, die sie bei ihm hatte, gelogen hat. Doch dann wurde mir eines Tages bewusst, dass mich diese beiden Menschen, die mir so übel mitgespielt hatten, durch meine Tage und Nächte begleiteten. Sie ließen mich nicht los. Oder vielleicht sollte ich besser sagen: Ich ließ sie nicht los. Indem ich mir immer wieder vorstellte, wie es sein würde, mich an ihnen zu rächen, gab ich ihnen Macht über meine Gedanken.« Sie atmete tief durch, so wie ich, wenn ich versuchte, den Ring um meine Brust zu sprengen. »Das Loslassen war schwer, aber schließlich habe ich es geschafft.« 
    »Ich glaube, so weit ist Nadine noch längst nicht. Sie hat sogar auch die anderen vier wieder getroffen, nur um festzustellen, dass sie sich keinen Deut geändert haben.« Aus der zunehmenden Dämmerung traten die Lichter von Hohwacht hervor. Die Kälte der Steine kroch in meinen Körper. Mit steifen Gliedern stand ich auf. »Ist Christian glücklich mit ihr?«, fragte ich leise.
    »Ich wünschte, ich könnte dir das beantworten, Carla.«
    Der Monat Mai dieses Jahres hatte mich gelehrt, dass es ein Trugschluss sein konnte, zu früh aufzuatmen und sich in Sicherheit zu wiegen. Anstatt mich zu entspannen, verharrte ich in einer merkwürdigen Habachtstellung. Hans Pattberg würde vielleicht noch den einen oder anderen Vorstoß in Richtung Kündigung wagen, aber ich hoffte, ihn mit Hilfe von Ulf Neupert in Schach halten zu können.
    Und Melanie? Bei ihr kam es ganz entscheidend darauf an, ob ich meine Entschuldigung überzeugend vorgetragen hatte. Tagelang versuchte ich, meine Augen überall zu haben, suchte die Weiden nach kolikverdächtigem Futter und die Zäune nach Beschädigungen ab. Inspizierte, wann immer ich konnte, die Boxen und hielt die Futterkammer verschlossen, damit niemand etwas in die Säcke mischen konnte. Erst als fünf Tage lang nichts geschehen war, begann ich Hoffnung zu schöpfen. Zu dieser Hoffnung trug ganz entscheidend der Artikel von Rieke Lohoff bei, der in der Wochenendausgabe der Zeitung stand. Von einem  vorbildlich geführten Pferde- und Reiterhof  war dort die Rede, der  nicht von

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