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Nur ein Gerücht

Titel: Nur ein Gerücht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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und fuhr stets mit dem Rad. Aber dieser Sturm hätte jeden Fahrradfahrer vom Sattel gefegt. Sie senkte den Kopf.
    »Heide ...?«
    »Manchmal schlafe ich nachts im Stall.«
    Ich fiel aus allen Wolken. »Warum?«
    Der Sturm, der bedrohlich an der Holzkonstruktion zerrte, enthob sie einer Antwort. Wir griffen links und rechts in Oskars Halfter und zogen ihn hinter uns her. Nur widerstrebend setzte er sich in Bewegung. Als er den Unterstand jedoch erst einmal verlassen hatte, war plötzlich er es, der uns hinter sich her zog. Ich betete, dass Heide genauso fest zupackte wie ich und er uns nicht entwischte.
    Aber wir waren ein gutes Team und brachten meinen vierbeinigen Freund unverletzt in den Stall. Unter jedem von uns dreien bildete sich augenblicklich eine Wasserlache. Ich öffnete meine Regenjacke, ließ sie zu Boden fallen und zog den widerstrebenden Oskar hinter mir her in seine Box. Heide hatte Handtücher geholt, mit denen wir ihn abrubbelten.
    »Heide, warum schläfst du manchmal nachts im Stall?«, fragte ich sie, als wir fertig waren und Oskar uns mit hängendem Kopf ansah.
    »Weil ich dachte, dass es gut ist, auch nachts ein Auge auf die Pferde zu haben. Außerdem ist es schön.« Das Grau ihrer Augen nahm einen warmen Schimmer an. »Ich mag den Geruch und die Geräusche der Pferde. Ich mag ihre Nähe.«
    Es war das erste Mal, dass ich so etwas wie ein Leuchten in Heides Augen sah.
    Die Schäden, die der Sturm angerichtet hatte, waren zum Glück überschaubar und schnell zu belieben. Basti kam an diesem Morgen erst um zehn Uhr in den Stall, da auf dem Weg von Hamburg zwei umgestürzte Bäume seine Fahrt behindert hatten. Als ich ihm von meiner nächtlichen Aktion mit Oskar erzählte, versprach er, noch am selben Tag die Stabilität des Unterstands zu prüfen. Von Heides Gewohnheit, hin und wieder im Stall zu übernachten, erzählte ich ihm nichts. Mein Gefühl sagte mir, dass es ihr nicht recht sein würde.
    Meine Mittagspause nutzte ich dazu, um endlich das zu tun, was ich mir schon seit Tagen vorgenommen hatte. Ich wollte Nadine noch einmal sehen und nich von ihr verabschieden, bevor sie abreiste und wir uns wieder aus den Augen verloren. .Als ich am Empfang nach ihr fragte, sagte man mir, dass sie ausgegangen sei. Gerade wollte ich mich auf den Heimweg machen, als ich sie durch den Eingang kommen und auf die Treppe zugehen sah. Sie schien nichts um sich herum wahrzunehmen. Mit ein paar schnellen Schritten schnitt ich ihr den Weg ab.
    »Hallo, Nadine«, begrüßte ich sie.
    Sie schaute mich an, ohne mich wirklich zu sehen. Es dauerte einen Moment, bis sie ihre Gedankenwelt verlassen hatte und im Hier und Jetzt gelandet war. »Carla ...«
    »Hast du eine halbe Stunde Zeit, um mit mir einen Kaffee zu trinken? Ich habe gerade Mittagspause.«
    »Eigentlich wollte ich ...«
    »Bitte, nur ganz kurz.« Ich deutete auf zwei gemütliche Sessel, die noch frei waren, und steuerte sie zielstrebig an.
    Kaum hatte Nadine sich gesetzt, kam ein Kellner und nahm unsere Bestellung auf. Als er uns den Rücken gekehrt hatte, musterten wir uns sekundenlang stumm. Ihr Blick war schwer zu interpretieren. Ein wenig kam ich mir vor wie ein Forschungsobjekt, das mit Distanz analysiert wurde. Aber wahrscheinlich lag ich damit völlig falsch, und es war lediglich die Perfektion, mit der sie geschminkt und zurechtgemacht war, die Distanz schaffte.
    »Da du nicht mehr in den Stall gekommen bist, dachte ich, ich verabschiede mich hier von dir.«
    Ihr Blick ruhte abwartend auf mir.
    Ich hoffe übrigens, dass du nicht meinetwegen mit dem Reitunterricht aufgehört hast«, schickte ich hinterher.
    »Es war ein Versuch am untauglichen Objekt. Ich hätte schon viel früher damit aufhören sollen. Aber Basti hat sich so viel Mühe gegeben, dass ich es nicht übers Herz gebracht habe.« 
    »Dann bin ich beruhigt.«
    »Warst du beunruhigt?«
    »Nicht wirklich beunruhigt«, antwortete ich schnell, »es hätte mir nur Leid getan, wenn ich dafür verantwortlich gewesen wäre.«
    Sie schlug ein Bein über das andere und lehnte sich zurück. »Außerdem hätte es bedeutet, dass du mir nicht verziehen hast.«
    »Interessante Schlussfolgerung ... Aber du hast deine Entschuldigung so überzeugend vorgetragen, dass selbst ein so unversöhnlicher Knochen wie ich bereit ist, darüber nachzudenken.« Es war weniger ihr Tonfall als ihre Mundwinkel, die ihren Worten eine gewisse Härte verliehen. »Ich habe gelesen, dass dein Vater gestorben

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