Nur ein Gerücht
Sie ohne mein Wissen gemacht haben.«
»Tut mir Leid, aber ich verstehe nicht, was Sie meinen.« Sie sah mich an, als sei sie die Unschuld in Person. An ihr war eine Schauspielerin verloren gegangen, und zwar eine gute. »Ich bin gleich zurück.« Eilig ging ich hinaus zu meinem Auto, griff mir die Fotos und hielt sie ihr im Rahmen des Stalltors entgegen.
Mit unbewegter Miene öffnete sie den Umschlag, nahm den Stapel Farbbilder heraus und besah sich in aller Ruhe eines nach dem anderen. »Und die soll ich gemacht haben?«, fragte sie schließlich entgeistert. »Wozu?«
»Um mich Ihrem Junggesellen schmackhaft zu machen.«
Sie sah mich an, als wäre ich völlig von Sinnen. »Mit diesen Fotos?«
»Ja ...« Ihr war es gelungen, mich zu verunsichern.
»Haben Sie sich die einmal genauer angeschaut?«
»Ich habe sie durchgesehen.«
»Die sind total lieblos gemacht. Mit diesen Schnappschüssen würde ich ganz bestimmt nicht versuchen, Sie jemandem schmackhaft zu machen. Wie können Sie mir so etwas überhaupt zutrauen? Wenn ich Fotos von Ihnen hätte machen wollen, dann nur mit Ihrem Wissen. Alles andere wäre unverzeihlich.« Mit einem Mal klang ihre Stimme besorgt. »Und Sie haben keine Ahnung, wer diese Fotos gemacht haben könnte?«
»Nein. Außer Ihnen ist mir niemand eingefallen.«
»Was ist mit dieser Journalistin, die den Artikel über Sie geschrieben hat?«
»Die Platine habe ich gefunden, lange bevor Rieke Lohoff das erste Mal hier auf den Hof gekommen ist.« Ich blätterte ratlos durch die Fotos. »Der Vater des Mädchens, das mir die Fotos brachte, meinte, sie seien von einem Verehrer gemacht worden.«
Sie schüttelte entschieden den Kopf. »Tut mir Leid, das sagen zu müssen, Frau Bunge, aber wer immer für diese Fotos verantwortlich ist, verehrt Sie nicht.«
In den vergangenen Wochen hatte ich genug gegrübelt, deshalb beschloss ich, die Fotos wegzuwerfen. Da ich mich nicht mehr beobachtet fühlte, nahm ich an, dass ihr Urheber inzwischen das Interesse an mir verloren hatte. Und noch eine Quelle für möglichen Unmut beseitigte ich: das anonyme Schreiben von Melanie. Rieke Lohoff hatte es mir wie versprochen zugeschickt. Nachdem ich es unschlüssig in der Hand gehalten hatte, zerriss ich es in winzig kleine Stücke, bevor ich doch noch schwach wurde und es las. Die Schnipsel waren gerade im Papierkorb gelandet, als ich hinter einem der Fenster das Gesicht von Hans Pattberg entdeckte. Mit drei Schritten war ich an der Haustür, riss sie auf und attackierte ihn mit unmissverständlichen Blicken.
»Entschuldigen Sie, Frau Bunge«, stammelte er, als habe ich ihn auf frischer Tat ertappt. »Ich wollte Sie nicht einfach so überfallen, ich dachte nur, wenn wir uns einmal auf neutralem Boden unterhielten ... dann ... also ich meine ...« So defensiv hatte ich ihn noch nie erlebt.
»Das hier ist mein Zuhause, Herr Pattberg, und damit ganz bestimmt kein neutraler Boden.«
»Ja ... also ... « Zielstrebig steuerte er auf meine Terrasse zu, zog sich einen Stuhl heran und machte mir ein Zeichen, mich zu ihm zu setzen.
Das Letzte, was ich wollte, war, in der Dämmerung einen Plausch mit meinem Verpächter zu halten. Noch dazu, wo weit und breit kein anderer Mensch war, der mir im Fall des Falles zu Hilfe eilen konnte. Ich traute Hans Pattberg nicht über den Weg, mochte Basti auch mit dem treuherzigsten Augenaufschlag versuchen, mir seinen Großvater als Seele von Mensch zu verkaufen. Mit vor der Brust verschränkten Armen rührte ich mich nicht vom Fleck.
Sein Gesichtsausdruck wechselte von flehend zu geheimnisvoll. Mit geübten Bewegungen zog er aus seiner Brusttasche einen Flachmann und aus der Hosentasche zwei Minibecher. Er öffnete die Flasche und goss eine durchsichtige Flüssigkeit in die Becher. »Jetzt setzen Sie sich schon!«
»Wir haben nichts zu feiern, Herr Pattberg«, sagte ich abweisend.
»Aber wir haben zu reden, und bei einem Gläschen geht das viel leichter.«
»Was zu sagen ist, hat Ihnen mein Anwalt geschrieben. Sollte es da irgendwelche Unklarheiten geben, kann Ihr Anwalt sich gerne mit ihm in Verbindung setzen. «
»Wir brauchen keine Anwälte, Frau Bunge«, meinte er jovial.
»Ob Sie einen brauchen, kann ich nicht beurteilen, ich brauche ganz bestimmt einen. Dafür haben Sie ja hinreichend gesorgt. Und jetzt gehen Sie bitte!«
Mit den Fingern zupfte er sich nachdenklich an den Haaren, die aus seiner Nase wuchsen. Voller Ekel wandte ich meinen Blick ab und ließ ihn
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