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Nur ein Jahr, Jessica!

Nur ein Jahr, Jessica!

Titel: Nur ein Jahr, Jessica! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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konnte Frau Ingwart in praktischen Dingen helfen, worum sich sonst Manfred kümmerte. Falko schuftete an seiner Tankstelle. Er konnte über viele komische Erlebnisse von seiner Arbeit und über die Kunden berichten.
    Stolz war er über sein Sparschwein, dessen Bauch täglich dicker und schwerer wurde. Das Sparschwein ist nicht wörtlich aufzufassen. Genauer gesagt, handelte es sich um ein Sparkassenbuch, in dem sich seine mühsam zusammengekratzten Trinkgelder verzinsen sollten.
    Das Beste von allem waren die Briefe von Mutti und Vati.
    Das Geschäft war renoviert und in neuer Pracht wiedereröffnet worden. Die Leute kamen zuerst aus Neugier, dann, um die seltenen Delikatessen auszuprobieren. Als Mutti ihre erste chinesische Tiefkühlpackung verkauft hatte, schrieb sie mir extra eine Karte. Später blieb keine Zeit mehr dafür, denn es sprach sich sehr schnell herum, daß man bei Frau Berner so lustige und originelle Partymenüs fix und fertig kaufen konnte. Andere Käufer bevorzugten mehr ein Fleischfondue. Also spezialisierte sich Mutti auf Soßen, „Dips“ und Zutaten, die man dazu braucht.
    Mutti und Vati gaben sich sehr zuversichtlich. Wenn es so bliebe wie bisher, würden sie die Hürde schaffen. Aber noch hieß es sparen, vorsichtig sein, um alles wieder einzunehmen, was sie in das Geschäft hineingesteckt hatten!
    Die Zeit für Renis Nachhausekommen rückte immer näher. Ob ich selbst ein paar Zeilen unter „Stellengesuche, weiblich“ aufgeben sollte?
    Dann rief aber Tante Christiane an. Es war an einem Sonntagmorgen. Sie las mir aus der Zeitung vor: „Frau oder Mädchen mit guten Kochkenntnissen für modernes Einfamilienhaus gesucht. Sehr gutes Gehalt, Hilfe für Putzarbeiten vorhanden. Haushalt vollautomatisiert. Geregelte Arbeitszeit.“
    „Mensch!“ rief ich ins Telefon. „Ich bewerbe mich gleich! Mit Schönschrift! Wie war die Zuschriftennummer?“
    „Vergiß meinen Namen und meine Telefonnummer nicht“, sagte Tante Christiane. „Und schreib um Gottes willen ,von’ sehr deutlich.
    Es gibt komischerweise Menschen, die sich von diesen drei kleinen Buchstaben vor dem Namen imponieren lassen!“
    Also setzte ich mich hin und schrieb.
    Drei Tage später kam die Antwort, mit der Maschine getippt auf einem feinen Briefbogen mit vorgedrucktem Namen und unleserlicher Unterschrift. Aber da die Sekretärin vorsorglich darunter „Direktor J. Frisch-Nielsen“ geschrieben hatte, wurde mir klar, daß es der Herr des Hauses war, der mich anstellte.
    Wenn ich mit den obenerwähnten Bedingungen einverstanden wäre, könnte ich am 15. Mai anfangen, las ich.
    Die „obenerwähnten“ Bedingungen erschienen mir annehmbar, das Gehalt war so, daß ich zugesagt hätte, selbst wenn Direktor J. Frisch-Nielsen zehn ungezogene Gören und fünf Klapperschlangen im Haus gehabt hätte.
    Das hatte er aber nicht. Die Familie bestand nur aus ihm und seiner Holden und wohnte in einem Vorort von Frankfurt.
    Ich schrieb und versprach, am 15. Mai zu kommen und rief Tante Christiane an.
    „Ja, das war vorauszusehen“, erklärte Tante Christiane. „Frau Direktor rief mich an und fragte Gott sei Dank nicht, ob du bei mir gearbeitet hättest. Komischerweise auch nicht, ob du kochen könntest. Sie wollte wissen, ob du sauber, ordentlich und ehrlich seist. Und dann erzählte sie mir eine lange Geschichte, die sich über mindestens zehn Gesprächseinheiten hinauszog; über ein Mädchen, das sie einmal gehabt hätte und das mit dem Geschirrtuch Staub wischte, oder vielleicht war es umgekehrt, daß sie mit dem Staubtuch Geschirr abtrocknete. Na ja, wie dem auch sei, sie schien von diesem Thema so besessen zu sein, daß sie gar nicht dazu kam, peinliche Fragen zu stellen.“
    „Was ich sonst im Haus Frisch-Nielsen anstellen werde, weiß ich nicht, aber daß ich nicht das Geschirr mit dem Staublappen trockenreibe, das kannst du als ein heiliges Gelübde betrachten, Tante Christiane“, versprach ich feierlich. Und damit legten wir beide den Hörer auf.
    Jetzt war ich an der Reihe, meine Garderobe in Ordnung zu bringen und mich für mein Dasein als korrektes Hausmädchen auszurüsten: ein paar praktische Arbeitskittel, drei nette Servierschürzen.
    Frau Ingwart schenkte mir sogar ein schwarzes Kleid und half mir, daraus ein brauchbares Servierkleid zu machen.
    Sie mußte mir zu diesem Zweck die Maße nehmen, und ich traute meinen Augen und Ohren nicht. Ich stieg nachher auf die Waage und stellte fest, daß ich vier Pfund zugenommen

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