Nur ein Jahr, Jessica!
Illustrierte, nicht einmal ein medizinisches Lehrbuch, wie man es bei mir hätte vermuten können.
Ich hatte vier Kochbücher eingepackt!
Ein gutes, vernünftiges von Mutti, eins mit exotischen Gerichten von Frau Ingwart, eins mit feinen Menüs für Feierlichkeiten und Gesellschaften von Frau Thams und dann ein ganz dickes Buch mit äußerst appetitanregenden Illustrationen von Spezialitäten aus allen Ländern.
Das hatte mir selbstverständlich Tante Christiane, die Meisterköchin meines Bekanntenkreises, geschenkt.
Falko hatte recht, wenn er behauptete, daß mir Kochen liege. Es macht mir auch sehr viel Spaß. Aber es war mir plötzlich erschreckend klargeworden, daß man im Hause Frisch-Nielsen bestimmt ganz andere Ansprüche stellen würde als die, die ich bis jetzt erfüllt hatte. Also vertiefte ich mich auf meiner Fahrt in die Zubereitung von Weinbergschnecken mit Kräuterbutter, Hasen in Rotweinbeize, Rehrücken auf ungarische Art. Ich arbeitete mich durch Artischockenböden und Kaviar, Trüffeln und Eisbomben, bis ich von all dem Lesen hungrig wurde und zwei Käseschnitten aß!
Gestern hatte die Sekretärin von Direktor Frisch-Nieisen angerufen. Ich möchte vom Bahnhof eine Taxe zu seinem Geschäft nehmen. Von dort könnte ich dann mit ihm nach Hause fahren. Sein Geschäft lag in der Stadtmitte, und seine Wohnung schien ziemlich weit außerhalb der Stadt zu liegen.
Gut! Ich kreuzte also im Vorzimmer des Herrn Direktors auf, nebst Koffer und Flugtasche.
Da saß ein junges Mädchen an einer Schreibmaschine. Ich teilte ihr meinen Namen mit und daß ich Bescheid bekommen hätte, mich hier einzufinden.
„Ach, Sie sind die neue Hausgehilfin, viel Vergnügen!“ sprach das Mädchen.
Ich hätte brennend gern gewußt, worauf sich das „Viel Vergnügen!“ bezog. Aber dann ging die Tür vom Chefzimmer auf, und eine etwas reifere Dame, der man die erfahrene und unentbehrliche Stütze des Chefs schon von weitem ansah, erschien mit einem Stenoblock in der Hand.
„Ach, Fräulein Berner? Bitte nehmen Sie Platz, der Herr Direktor telefoniert gerade.“
Sie setzte sich hin und blätterte in einer dicken Korrespondenzmappe. Sie mußte Facettenaugen wie eine Fliege haben, denn obwohl sie anscheinend sehr konzentriert Papiere studierte, sah sie es sofort, als das kleine rote Lämpchen am Telefon erlosch. Dann ergriff sie den Hörer und teilte meine Anwesenheit mit.
„Herr Direktor kommt gleich“, orientierte sie mich und versank wieder in ihre Mappe. Die Jüngere fing an, ihre Nägel zu feilen, während sie mich forschend betrachtete.
Der Direktor erschien. Ein gutaussehender Mann in den Fünfzigern. Nicht unfreundlich, aber auch nicht ausgesprochen herzlich wirkte er. Er hieß mich mit ein paar Worten willkommen, gab der Sekretärin einen kurzen Bescheid, nahm meinen Koffer und trat mit mir die Heimfahrt in seinem schönen großen Wagen an.
Als wir aus dem schlimmsten Stadtverkehr heraus waren, wandte er sich an mich: „Haben Sie vielleicht irgendwelche Fragen, Fräulein Berner?“
„Ich weiß nicht, die Fragen werden sich wohl ergeben, wenn meine Arbeit anfängt, wenn ich mich sozusagen orientieren muß. Ja, doch – habe ich es richtig verstanden, daß das Kochen meine Hauptarbeit sein wird?“
„Ja, das ist richtig. Meine Frau kümmert sich weitgehend um die Wohnungspflege und um den Garten. Sie ist eine große Blumenfreundin.“
„Oh, wie reizend“, erklärte ich – was sollte ich sonst sagen?
„Kochen Sie gern?“ fragte der Direktor nach einer kleinen Pause.
„Ja, furchtbar gern. Ich glaube, diese Vorliebe ist mir angeboren. Von meiner Mutter geerbt.“
„Kein schlechtes Erbe. Kennen Sie sich auch aus mit – ja, sagen wir, Gesellschaftskochen? Ich meine, man hat ja öfter Gäste.“
Da haben wir den Salat! dachte ich. Aber laut beteuerte ich: „Ich glaube schon, Herr Direktor. Ich werde mir jedenfalls alle Mühe geben, wie gesagt, es macht mir Spaß! Ich koche wirklich gern.“
Eine Andeutung von einem Lächeln zeigte sich auf seinem ernsten Gesicht. „Und ich esse gern!“
„Wie schön! Das Kochen macht noch einmal soviel Spaß für eßfreudige Menschen. Was ist denn Ihr Lieblingsgericht, Herr Direktor?“
„Mein Lieblings… – ach, du liebe Zeit, danach hat mich seit zwanzig Jahren niemand mehr gefragt. Ich muß es mir direkt überlegen – ach ja, natürlich! Ich weiß schon. Aber ich fürchte, Sie kennen das Gericht nicht! Lamm in Kohl heißt es, ich habe es vor vielen
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