Nur ein Kuss von dir
finden und wiederbeleben können.
Als ich an der Kathedrale vorbeirannte auf dem Weg zum Eingang der Krypta, schaute ich mich schnell mit dem Spiegel um, doch es war nichts von den Versunkenen zu sehen. Callum musste sie schon nach innen geführt haben.
Veronica wartete an der Tür, das Gesicht ganz zerfurcht vor Sorge. »Wo warst du?«, fragte sie, während sie mich hineinbegleitete. »Ich dachte allmählich schon, dass etwas Schreckliches passiert ist.«
»Es tut mir leid, aber ich musste Callum unter vier Augen erzählen, was wir machen würden, und das hat ein paar Minuten gedauert.«
»Und warum jetzt die Eile? Was hat deine Meinung so verändert?«
Ich nahm sie am Arm und führte sie durch den Gang zum Café, voller Angst, noch mehr Zeit zu verlieren. »Das ist eine lange Geschichte. Catherine ist weggelaufen und hat sich geweigert zu helfen, aber auf dem Weg hierher bin ich auf sie und Callum gestoßen, sie waren wirklich und lebendig, und …«
»Was!«, unterbrach sie mich und hielt mich fest, so dass ich auch stehen bleiben musste. »Wie? Wie ist das passiert?«
»Wir haben es eilig«, erinnerte ich sie und nahm sie wieder am Arm. »Ich hab sie gesehen, kurz bevor sie ertrunken sind. Catherine ist wegen etwas, das ich gesagt habe, in die Themse gesprungen. Callum hat versucht, sie zu retten. Es ist vor allem meine Schuld, dass sie zu Versunkenen geworden sind. Und deshalb hasst Catherine mich.«
Während wir durch die Ticketsperre gingen, stand Veronica der Mund offen. »Da sie gerade erst ins Wasser gesprungen sind, vermute ich, dass sie vielleicht nicht sterben, wenn ich sie schnell wieder dahin befördere. Vielleicht ist das Feuer bei ihm nur schwach, weil er nur so kurz ein Versunkener war. Vielleicht wird er gerettet und überlebt.« Je mehr ich redete, desto schwächer kam mir meine Schlussfolgerung vor. Als wir den Aufzug erreichten, drehte ich mich zu ihr. »Verschwende ich meine Zeit, Veronica? Bitte – was glaubst du?«
Sie schien sich selbst aus einer Benommenheit aufzurütteln und fing an, unter ihrer Soutane nach etwas zu suchen. Dann zog sie eine Schlüsselkarte hervor und aktivierte den Knopf, um den Aufzug zu holen. »Ich weiß nicht«, sagte sie aufreizend langsam. »Ich verstehe nicht, wieso du glaubst, dass das funktioniert, ich verstehe es wirklich nicht.« Sie schüttelte den Kopf. »Heute Nachmittag waren sie noch lebendig? Wirklich?«
»Ganz ehrlich, ja.«
»Das würde aber bedeuten, dass in den letzten paar Wochen zwei Catherines hier herumgelaufen sind. Sehe ich das richtig?« Sie klang immer noch so, als könnte sie es kaum glauben.
»Hm, ja, ich denke schon.«
Veronica starrte blicklos auf den Boden des Aufzugs. »Sie hatte eine Doppelgängerin. Catherine ist als ihre eigene Doppelgängerin zurückgekommen«, flüsterte sie.
»Wie? Was heißt das?«
»Es gibt einen alten Volksglauben: Wenn du deinen Doppelgänger siehst, also eine genaue Kopie von dir selbst, ist das ein Vorzeichen für deinen eigenen Tod. In manchen Kulturen hält man sie für das Böse.«
»Bedeutet das, dass du auch eine bist?«
»Vermutlich war ich eine, aber das ist nun schon so lange her, dass die ursprüngliche Veronica – also ich – längst tot ist.«
Die Ankunft des Aufzugs wurde von einer Glocke angekündigt, die in der leeren Krypta erschreckend laut klang. Wir stiegen ein, und wieder benutzte sie die Karte, um die Knöpfe im Inneren zu aktivieren. Dann fuhren wir rasch zur Flüstergalerie hoch.
Plötzlich wurde Veronica wieder lebhaft. »Jetzt zur Klärung des Ablaufs: Du bist bereit, alle Versunkenen jetzt zu erlösen, nur für den Fall, dass es eine Chance gibt, schnell genug zu sein, um Callum zu retten?«
»Wenn es irgendeine Chance gibt, dass ich ihn in das Leben zurückbringen kann, in das er gehört, dann muss ich es versuchen.« Ich konnte auf meiner Wange immer noch seine zarte Berührung spüren, als er sich draußen von mir verabschiedet hatte. In nur wenigen Minuten konnte ich oben auf der Kuppel sein und ihn in meinen Armen halten, wie er sich das gewünscht hatte.
Ich ballte die Fäuste und schob den Gedanken zur Seite. Ich musste die Chance ergreifen, und zwar sofort. Ich wandte mich in dem kleinen Aufzug Veronica zu. Im harten Neonlicht der Deckenbeleuchtung wirkte ihr Gesicht sogar noch älter als sonst. »Also, was soll ich machen? Und was soll ich ihnen über dich erzählen?«
»Ich sage dir, was du tun und sagen sollst, wenn wir anfangen. So geht es am
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