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Nur ein Märchen?: Gratisaktion bis 15.10.2013!

Nur ein Märchen?: Gratisaktion bis 15.10.2013!

Titel: Nur ein Märchen?: Gratisaktion bis 15.10.2013! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Tourmalin
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sie sich dazu entschieden haben, ihr Kind heimlich zur Welt zu bringen. Wir haben Aufzeichnungen aus dem Tagebuch von Hagen von Tronje gefunden, die natürlich nicht mehr ganz vollständig, aber insgesamt doch gut erhalten sind. Daraus geht hervor, dass Kriemhild sich mehrere Monate lang in ihren Gemächern eingeschlossen und niemanden außer ihrer Zofe hereingelassen hat. Diese sagte, Kriemhild würde Tag und Nacht im Dunkeln sitzen und sie selbst habe sie seit langem nur als vagen Schatten zu sehen bekommen.“
    „ Sie hätte also eine Schwangerschaft verheimlichen können“, fällt Florian Markus plötzlich ins Wort und ich merke, dass ihn das Thema auf einmal mehr fesselt, als ihm eigentlich lieb ist.
    George sitzt mittlerweile in einer entspannteren Haltung da und hat nachdenklich den Zeigefinger an die Lippen gelegt.
    „ Ich nehme an, du kannst das alles beweisen?“
    Markus nickt. „Abgesehen von der Schwangerschaft, ja. Das sind nur Vermutungen, die auf den tatsächlichen Beweisen aufbauen.“
    „ Was ist mit dem Kind passiert?“, platzt es aus mir heraus. Kaum zu glauben, dass die sich über Beweise unterhalten, wenn die Geschichte noch nicht zu Ende erzählt ist.
    „ Dazu haben wir interessante Dokumente gefunden. Es gab damals ein Kloster, das von Benediktinerinnen geführt wurde, gar nicht weit vom Hof entfernt. Immer wieder wurden Kinder oder Säuglinge vor den Toren des Klosters ausgesetzt. Die Zeiten waren hart, manche Familien waren sehr arm und hatten zu viele Mäuler zu stopfen. Hin und wieder kam es vor, dass ungewollte Kinder ins Kloster abgegeben wurden. Die Nonnen haben sehr früh angefangen, darüber Buch zu führen, welche Kinder sie wann aufgenommen haben. Und diese Aufzeichnungen lieferten uns den entscheidenden Hinweis“, er macht eine bedeutungsvolle Pause. Wieder ist die Anspannung im Raum fast mit den Händen greifbar, aber diesmal ist es keine feindselige, streitlustige Stimmung, eher gebannte Aufmerksamkeit und volle Konzentration.
    „ Aus einer frühen Klosterchronik haben wir die folgende Information; es war ein seltsamer Vorfall, deshalb haben die Nonnen ihn sehr genau dokumentiert, genauer als andere Findelkinder im Register verzeichnet wurden. Eines Nachts wurde in den frühen Morgenstunden an das Holztor geklopft. Als die Äbtissin öffnete, stand niemand vor der Tür, es lag nur ein winziger Säugling in einem Weidenkörbchen auf der Schwelle. Das Baby war nach den Schätzungen der Frauen erst wenige Tage alt. Bis dahin war dies nichts Ungewöhnliches, aber denkt daran: Es wurden meist nur Kinder aus extrem armen Familien dort abgegeben. Dieses Kind aber hatte ein ganz besonderes Schmuckstück bei sich. Einen goldenen Armreif mit funkelnden weißen Steinchen und einem großen grünen Edelstein. Außerdem lag ein kurzer Brief dabei, darin stand sinngemäß, dass die Benediktinerinnen sich gut um das kleine Mädchen kümmern und sie beschützen sollten. Niemand außerhalb des Klosters dürfe von der Existenz der Kleinen erfahren und sobald sie alt genug sei, solle sie die Stadt verlassen und nie wieder zurückkehren, hieß es weiter. Auch ihr Name war in dem knappen Briefchen angegeben…“
    „ Hildegard“, flüstere ich mit heiserer Stimme und merke erst jetzt, dass mir Tränen über das ganze Gesicht laufen. Markus nickt bedächtig, Florian sieht mich nur verwundert an und George springt auf, als er mich weinen sieht.
    „ Was ist los? Was ist mit dir?“ Besorgt setzt er sich neben mir auf das Bett, legt den Arm um meine Schultern und sieht mich prüfend an.
    Doch ich kann nichts sagen, kann nicht in Worte fassen, dass ich schon zum zweiten Mal in dieser Woche mit einer Situation konfrontiert werde, die ich geträumt habe. Nicht geträumt, erlebt. Ja, ich habe es erlebt. Ich erinnere mich, wie ich das kleine Wesen in meinen Armen küsse, wie ich weine, weil ich mich für immer von meiner Tochter verabschieden muss, wie ich das Körbchen vor der Klostertür abstelle, mich in der Dunkelheit zwischen den Bäumen verstecke und zusehe, wie sich die Tür öffnet und mein Kind verschwindet. Ich fühle die Trauer über den Verlust meines Kindes und ich fühle die Erleichterung, als die Tür sich schließt, weil nun niemand mehr weiß, wer sie ist. Ab jetzt ist sie nur noch ein kleines Mädchen, das seine Eltern nicht mehr haben wollten und es deshalb im Kloster abgegeben haben. Aber sie ist nicht mehr meine Tochter, die Tochter meines ermordeten Mannes, die Schwester eines

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