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Nur ein Märchen?: Gratisaktion bis 15.10.2013!

Nur ein Märchen?: Gratisaktion bis 15.10.2013!

Titel: Nur ein Märchen?: Gratisaktion bis 15.10.2013! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Tourmalin
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fühle ich mich schon richtig wie zu Hause. Nichts von wegen problematischer Familiengeschichte oder Tür-vor-der-Nase-zuknallen.
    Anstatt dessen werde ich nun ausgefragt. Was machst du in Worms, wie geht es Gerda, was machen deine Eltern. Ich antworte zuerst stockend, aber dann immer flüssiger, und erzähle ihr alles, was sie wissen möchte. Als wir über meine Oma sprechen, wird sie traurig und hat wieder denselben schwermütigen Ausdruck in ihrem Blick wie vorhin an der Tür.
    „ Was ist denn zwischen dir und Oma vorgefallen?“, frage ich sie zögernd.
    „ Vielleicht fragst du das lieber deine Oma“, seufzt sie.
    Ich erkläre ihr daraufhin, dass meine Oma wegen ihrer Demenz niemandem mehr irgendwas erklären kann. Und ich erzähle ihr, dass ich erst gestern von ihrer Existenz erfahren habe. Beides scheint sie sehr zu treffen, ich kann sehen, wie ihr Blick wässrig wird. Auf gar keinen Fall will ich diese liebe kleine Frau zum Weinen bringen!
    Sie schluckt schwer. „Dann hat sie es also tatsächlich geschafft. Sie hat mich komplett aus ihrem Leben – und auch aus dem ihrer Familie – gestrichen.“ Obwohl ich sie noch keine halbe Stunde kenne, habe ich das Gefühl, dass sie zur Familie gehört. Ich mag sie und fühle eine innere Verbundenheit mit ihr.
    Deshalb nehme ich vorsichtig ihre Hand. „Nein“, flüstere ich, „ich bin doch hier.“ Sie lächelt mich traurig an.
    „ Dann erzähle ich dir unsere Geschichte. Es hat alles damit zu tun.“ Sie deutet auf meinen Armreif, ich versteife mich unwillkürlich. Vielleicht bekomme ich endlich Antworten!
    „ Gerda ist ein Jahr älter als ich. Deshalb war sie die rechtmäßige Erbin des Armreifs. Dieses Schmuckstück ist schon seit Ewigkeiten in unserer Familie. Es wird immer nur von Frau zu Frau weitervererbt. Ist das älteste Kind einer Frau ein Junge, so bekommt das nächstgeborene Mädchen den Armreif. Hat eine Frau keine weiblichen Nachkommen, so geht er an das älteste Mädchen im nächsten Familienumfeld, also zum Beispiel an die älteste Enkeltochter. Der Armreif darf immer nur in der direkten Blutlinie vererbt werden, niemals an eine angeheiratete Frau und niemals an einen Mann. Rüdiger“, wendet sie sich an den Brummbär, der sich inzwischen zu uns gesetzt hat. „Kannst du mir mein Buch holen?“, bittet sie ihn und er flitzt los.
    Ich habe noch nie einen alten Mann in Filzpantoffeln gesehen, der sich so schnell und flink bewegt wie Rüdiger.
    Hannelore blickt ihm einen Moment lang lächelnd nach, dann sieht sie mir fest in die Augen. Ich bin noch ganz platt von dem, was sie mir gerade erzählt hat, warum wusste ich denn nichts davon? Logischerweise hätte ich doch den Armreif auch irgendwann meiner Tochter vererben müssen, davon hat Oma mir nichts gesagt. Gut, ich habe noch keine Tochter. Aber wissen müssen hätte ich es trotzdem.
    „ Ich möchte nicht schlecht über deine Oma sprechen, aber ich werde auch nicht lügen. Deine Großmutter hat ein furchtbares Getue um den Armreif veranstaltet. Seit wir Kinder waren, wussten wir beide, dass sie eines Tages Mutters schönstes und wertvollstes Schmuckstück erben würde. Und doch hat sie es mir wieder und wieder unter die Nase gerieben. Vielleicht konnte sie aber auch nichts dafür. Unsere Mutter hat nämlich auch nie versäumt, uns beiden zu erklären, wie kostbar und einzigartig der Armreif sei und welche Ehre es sei, ihn tragen zu dürfen. Sie selbst trug ihn fast nie. Er lag meistens in einer Schatulle in ihrem Schlafzimmer. Einmal habe ich mich heimlich dorthin geschlichen und den Armreif anprobiert. Gerda erwischte mich und petzte, und ich bekam die schlimmste Tracht Prügel meines Lebens.“
    Rüdiger legt ein dickes Buch mit abgewetztem Ledereinband auf den Tisch und setzt sich wieder zu uns. Er nimmt ihre Hand und sieht sie liebevoll an. Ein schönes Bild.
    „ Dann kam der große Tag, als Gerda offiziell den Armreif überreicht bekam. Seitdem war sie unausstehlich zu mir. Sie kommandierte mich herum, machte mich schlecht und gab mir immer das Gefühl, wertlos zu sein.“ Ich erschaudere. Meine Oma Gerda war so ein Scheusal?
    „ Sie hat mich bevormundet und wollte mich nicht mein Leben leben lassen. Aber trotz allem sind wir Schwestern und ich versuchte immer, ihre bösen Worte nicht zu sehr an mich heran zu lassen. Ich habe mir stets gesagt, dass sie nichts dafür kann.“ Hannelore schüttelt traurig den Kopf und Rüdiger legt einen Arm um sie.
    „ Doch das Leben ging weiter, wir

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