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Nur ein Märchen?: Gratisaktion bis 15.10.2013!

Nur ein Märchen?: Gratisaktion bis 15.10.2013!

Titel: Nur ein Märchen?: Gratisaktion bis 15.10.2013! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Tourmalin
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leiblich verwandt bin, die mich aber trotzdem Oma nennen.“ Jetzt strahlt sie über das ganze Gesicht und wirkt um viele Jahre jünger.
    „ Aber ihr habt nicht geheiratet, oder?“, hake ich nach, da mir die zwei Nachnamen auf der Klingel einfallen.
    „ Nein. Die Ehe hat uns beiden kein Glück gebracht, da haben wir uns gedacht, wir versuchen unser Glück ohne Trauschein. Und es funktioniert bis heute.“ Ein Blick in ihre beiden Gesichter zeigt mir, dass dies nicht nur daher gesagte Worte sind, sondern dass sie wirklich glauben, was sie sagen. Und dass sie glücklich sind.
    „ Aber sag mal, Tante Hanne, warum hat denn eure Mutter gesagt, dass Worms so eine schlimme Stadt ist?“, greife ich unser Gespräch wieder auf.
    Tante Hanne erklärt mir daraufhin, dass es in ihrer Generation nicht üblich war, den Eltern zu widersprechen und schon gar nicht, deren Entscheidungen in Frage zu stellen – wollte man nicht eine ordentliche Tracht Prügel beziehen.
    Insgeheim frage ich mich, ob es nicht dem einen oder anderen Kind gut tun würde, hin und wieder einen kleinen Klaps zu bekommen. Ich bin wirklich dagegen, Kinder zu schlagen, ganz klar, aber solche respektlosen, undankbaren, nichtsnutzigen Gören wie heute hätte es früher nicht gegeben. Oder doch?
    Vielleicht sollte man eine neue Sendung machen, in der die Kinder so erzogen werden wie vor fünfzig oder hundert Jahren. ‚Time Travellers – Eltern von gestern erziehen die Kinder von heute‘ – oder so ähnlich.
    „ Deshalb habe ich nie nachgefragt. Es war halt so. Es war ebenso Gesetz, wie dass der Armreif in einer bestimmten Reihenfolge vererbt wird und dass seine Trägerin Hildegard heißen muss“, sagt Hanne schulterzuckend und befördert mich damit wieder in die Realität.
    „ Aber Oma Gerda heißt doch gar nicht Hildegard“, denke ich laut nach.
    Mit einem schelmischen Grinsen antwortet Hannelore: „Doch. Sie hasste den Namen, deshalb hat sie sich Gerda genannt. Ich vermute mal, selbst ihre Kinder wissen nicht, dass sie in Wahrheit Hildegard heißt. Ich glaube, sie hat sich in ihren Ausweis ‚Gerda` eintragen lassen.“
    Ich mache große Augen. Anscheinend habe ich mehr mit meiner Oma gemeinsam, als mir bewusst war; wir beide haben Abwandlungen unseres eigentlichen Namens als Rufnamen benutzt. Sie Gerda, ich Hilda, wir beide eigentlich Hildegard.
    Tante Hanne unterbricht meine Gedanken und greift nach dem Buch, das Rüdiger vorhin gebracht hat.
    „ Sieh mal, das hier ist unser Familienstammbaum. Vor langer Zeit habe ich mich daran gesetzt, die Geschichte des Armreifs und unserer Familie zurückzuverfolgen. Ich war zwar gekränkt, weil ich in dieser Sache außen vor gelassen wurde, aber das Geheimnis um den Armreif hat mich trotzdem immer gefesselt.“
    Sie zögert einen Moment, blickt zu Boden, als würde sie sich schämen. „Und ich wollte beweisen, dass der Armreif NICHT seit hunderten Jahren im Familienbesitz und NICHT unfassbar wertvoll ist.“ Ihre Stimme klingt trotzig wie die eines kleinen Mädchens.
    „ Aber das ist doch klar, so schlecht, wie sie dich behandelt haben!“, rufe ich voller Mitgefühl aus und ernte ein dankbares Lächeln.
    „ Du bist wirklich die netteste Hildegard, der ich in meinem Leben begegnet bin“, sagt sie leise und wieder habe ich das Gefühl, dass sie ihre Worte wirklich ehrlich meint.
    „ Danke“, entgegne ich, „ich bin wirklich froh, dass wir uns heute kennenlernen.“ Und auch ich meine ernst, was ich sage, auch wenn es kitschig klingt. Wir sehen uns schweigend an, aber es ist ein angenehmes Schweigen in völliger Übereinstimmung.
    „ Zurück zum Buch“, dirigiert sie energisch. „Ich hatte bei meiner Recherche keinen Erfolg, zumindest keinen, der mein eigentliches Ziel erreicht hätte. Der Armreif IST seit hunderten Jahren im Besitz unserer Familie und er IST unfassbar wertvoll. Damit war meine ursprüngliche Mission zwar gescheitert, das Thema interessierte mich aber umso mehr.“
    Sie breitet vorsichtig verschiedene Dokumente, die lose im Umschlag des Buches gesteckt haben, auf dem Tisch aus. Ich erkenne einige handschriftliche Notizen, aber auch offiziell aussehende, maschinengeschriebene Briefe und Urkunden, beziehungsweise Kopien davon.
     
    Rüdiger und Heinz-Heinrich verabschieden sich unauffällig zum Gassigehen und Hanne und ich vertiefen uns in die Papiere. Immer wieder erklärt sie mir Zusammenhänge, weist mich auf Besonderheiten hin oder liest mir Handschriften vor, die ich nicht

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