Nur Ein Toter Mehr
hinter mir, ich rieche ihr billiges Parfüm.
»Wann gehst du zum Friseur?«
Totenstille. Ich wage kaum zu atmen.
»Verkaufen Blondinen etwa mehr Bücher?«
Ich schnappe nach Luft. Nein, das war gewiss nicht ihr Ernst, ich weiß, dass sie das nicht denkt. Ich drehe mich zu ihr um und packe sie an den Schultern.
»Hör zu: Wir brauchen nur einen Wandschirm, schon ist der hintere Teil der Buchhandlung ein Büro, in dem Samuel Esparta seine Kunden empfangen kann. Und wenn dann einer – oder eine – kommt, um den Privatdetektiv zu engagieren, nimmst du deinen Kaugummi aus dem Mund – oder tust zumindest so –, klebst ihn unter den Tisch, fragst: ›Wen darf ich anmelden?‹, und kommst dann zu mir und verkündest: ›Herr X oder Frau Y ist da.‹ Und so etwas macht nun mal am besten eine blonde Sekretärin.«
Unwillkürlich weicht sie einen Schritt zurück und schüttelt meine Hände ab.
»Wie kannst du es wagen, mir meine Haarfarbe vorzuschreiben?!«, schnaubt sie. »Du hast ja wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank! Such dir für so was eine andere!«
»Ich möchte aber keine andere. Ich will dich«, erwidere ich sanft.
Tatsächlich holt sie Luft und beruhigt sich etwas.
»Ich mag meine roten Haare. Ich habe sie noch nie gefärbt und habe es auch jetzt nicht vor. Und damit basta.«
Ich gebe mich geschlagen und zucke mit den Schultern. »Okay, okay … Letztlich ist es auch nur ein Detail … davon hängt nichts ab.«
»Jetzt auf einmal?«
Mehr sagt sie nicht, sie ist auf der Hut, weil ich sie zutiefst verletzt habe, wenn auch ohne es zu wollen.
»Wir fangen mit dem an, was wir haben«, erkläre ich deshalb versöhnlich. »Danach sehen wir dann schon.«
Wortlos geht sie wieder zu ihrem roten Tischchen, setzt sich aber nicht.
»Weißt du denn schon, wo du mit deinen Ermittlungen anfangen willst?«, fragt sie, während sie durch die gläserne Eingangstür hinaus auf die Straße starrt.
»Natürlich am Strand. Als Allererstes werde ich Lucio Etxe auszuquetschen versuchen.«
Wieder Totenstille. Was Koldobike wohl gerade durch den Kopf geht?
»Soll ich dir mal was sagen?« Mit Schwung hat sie sich zu mir umgedreht und deutet nun resolut mit dem Finger auf mich. »Deine erste Anlaufstelle sollte der Pfarrer sein.«
»Der … Pfarrer?«, frage ich völlig perplex. »Welcher Pfarrer?«
»Na, der Pfarrer, dem er es gebeichtet hat!«, erklärt sie mit leuchtenden Augen.
»Wer hat was gebeichtet?«
Ruck, zuck verdunkelt sich ihre Miene wieder.
»Ach, vergiss es. Ich will da nicht mitspielen.«
»Das hier ist kein Spiel, Koldobike«, erwidere ich bedachtsam, »das ist so echt wie das Leben selbst.«
»So redet man nur in Romanen.«
»Das
ist
ein Roman.«
Langsam schüttelt sie jetzt den Kopf. Wahrscheinlich hält sie mich inzwischen für einen hoffnungslosen Fall … Aber diese Idee mit dem Pfarrer …
»Hm, dass ein Mörder einen Beichtstuhl aufsucht, das gibt es eigentlich nur im Film …«
»Ob Film oder Roman ist doch einerlei. Und wenn du in echt verrückt geworden bist, dann gibt es auch Verbrecher, die ihre Schandtaten beichten.«
»Ja schon, aber ich werde aus dem realen Geschehen einen Roman machen … De facto schreibe ich ihn bereits!«
Ich eile zu meinem kleinen Tisch, setze mich, hole einen Stoß weißer Blätter und einen Füller aus der Schublade und mache mich daran, den ersten Satz, das erste Wort niederzuschreiben. Mir zittert die Hand. Als ich aufblicke, sehe ich, dass Koldobike mich genau beobachtet. Nur das Kratzen der Feder übers Papier würde die den Raum erfüllende Stille durchbrechen – aber meine Hand rührt sich nicht.
»Wie würdest du anfangen?«, frage ich sie nach einer halben Ewigkeit kleinlaut. »Heute Vormittag, als ich mich erinnerte, was damals an diesem Felsen passiert war – da begann die Wirklichkeit auf einmal mir die richtigen Wörter zu diktieren. Hör, was ich am Strand geschrieben habe:
Ich fabuliere ohne Feder und ohne Papier, nur in meinem Kopf, doch ich erzähle eine Geschichte, daran besteht kein Zweifel.
Das ist allerdings kein Romananfang … Hilfst du mir?«
»In der Schlangengrube, in die du dich da begeben willst, gibt es vorerst nur einen Menschen, der dir helfen kann: Und der hat eine schwarze Kutte an. Der Pfarrer ist der Einzige, der den Mörder kennt. Ihn musst du suchen. Und er hat seine Pfarrei sicher nicht hier in Getxo, sondern in irgendeinem Kaff in der Umgebung.«
»Das klingt gut, das schreibe ich, du bist genau die
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