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Nur Ein Toter Mehr

Nur Ein Toter Mehr

Titel: Nur Ein Toter Mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramiro Pinilla
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locker. »Aber Sie erinnern sich noch genau, oder?«, hake ich nach.
    »Ja, jetzt. Nachdem ich zehn Jahre lang nicht mehr daran gedacht und zu Hause auch nie ein Wort darüber verloren habe. Nie!«
    »Aber Sie haben sich doch nichts vorzuwerfen, Sie haben doch alles getan, was in Ihrer Macht stand.«
    »Verstehst du nicht? Einer von ihnen ist ertrunken! Wegen mir. Weil ich nicht schnell genug war. Ich habe zu viel Zeit verloren …«, jammert er und vergräbt sein Gesicht in beiden Händen.
    »Wie, zu viel Zeit?«
    »Als ich die Hilfeschreie gehört habe, bin ich doch erst den Felsen hochgeklettert und habe selbst versucht, sie hochzuziehen, bis Eladio gejapst hat, ich soll den Schmied holen. Und ich habe noch mehr Zeit verloren, als ich oben in Cuatro Caminos vor verschlossener Tür stand … während die Flut stieg und stieg.«
    »Die Tür war zu?«
    »Natürlich. Schließlich war die Sonne gerade erst aufgegangen.«
    »Seltsam.« Nachdenklich reibe ich mir das Kinn. »Es war nie die Rede davon, dass die Tür verschlossen war.«
    »Und ich eine ganze Weile keuchend dagegengehämmert habe.«
    »Na ja, irgendwie mussten Sie sich ja bemerkbar machen.«
    »Schon – nur nicht an der Tür der Schmiede, sondern drei Häuser weiter.«
    Erstaunt sehe ich ihn an. In der mir bis dahin bekannten Version der Geschichte war dieses Detail nie erwähnt worden.
    »Wie? Sie haben gegen die falsche Tür gehämmert, obwohl Sie wussten, dass Zalla gar nicht dort wohnt?«
    Etxe entfährt ein tiefer Seufzer. »Natürlich wusste ich das,aber in der Panik hatte ich es einfach komplett vergessen! Als niemand aufmachte, habe ich sogar versucht, sie einzutreten!«
    »Dann haben Sie sich aber wieder daran erinnert.«
    »Ja, irgendwann fiel es mir wieder ein. Ich also zur richtigen Tür und hämmere dagegen, meine Fäuste sind schon ganz rot, trotzdem dauert es, bis über mir ein Fenster aufgeht und Antimo ›He! Was ist los?‹ ruft und ich hinaufschreie, was passiert ist, und eine Weile später endlich die Tür aufgeht und Antimo in Unterhosen vor mir steht und knurrt: ›Ich verstehe nur Bahnhof. Was ist los?‹, während ich weiter auf ihn einbrülle, bis er reingeht, sich anzieht und mit seinem Sohn Tomasón wieder rauskommt. ›Wir müssen die Ketten durchsägen!‹, rufe ich aufgeregt, worauf er nur brummt: ›Ich hab’s gehört‹, was stimmt, denn er hat den Schlüssel in der Hand, wir also zur Schmiede, er schnappt sich eine Säge, findet aber zuerst die Sägeblätter nicht, endlich hat er eines, aber er meint, er brauche sicher mehr, also suchen er und sein Sohn weiter, bis wir uns nach einer halben Ewigkeit auf den Weg machen hinunter zum Strand und ich die beiden schreiend zur Eile antreibe und …« Plötzlich stockt er und runzelt die Stirn. »Warum erzähle ich dir das eigentlich alles?«
    »Wie?«
    Sein Bericht hat mich so in seinen Bann geschlagen, dass ich mich kurz besinnen muss, bevor ich ihm erkläre, dass ein Privatdetektiv immer so viel wie möglich …
    »Die Toten soll man ruhen lassen«, unterbricht er mich und rappelt sich auf.
    »Aber ein Unrecht muss geahndet werden, das ist unsere moralische Pflicht! Und solange dieser Verbrecher frei herumläuft …«
    »Und wer bezahlt dich dafür, dass du das Unterste zuoberst kehrst?«
    »Niemand, auch wenn ich gewissermaßen ganz Getxo vertrete und ein Privatdetektiv für seine Ermittlungen normalerweise einige Peseten pro Tag bekommt, zuzüglich Spesen. In diesem Fall hat mich aber mein zweites Ich damit beauftragt.«
    Misstrauisch sieht er mich an, das versteht er nicht, sodass ich ihm auf die Sprünge helfen muss.
    »Mir gehört die Buchhandlung Beltza in Algorta.«
    Jetzt mustert er mich von Kopf bis Fuß. Dann nickt er bedächtig. »Die Buchhandlung führt ein Bordaberri. Und da sie Vicente erschossen haben, musst du sein Sohn sein. Du siehst ihm jedenfalls ähnlich.«
    Aber da ist immer noch etwas, was ihm komisch vorkommt, weshalb ich ihn schnell beruhige.
    »Wenn man zum Fischen an den Strand geht, zieht man nun mal was anderes an.«
    »Aha. Du willst also, dass dir jemand an die Angel geht.« Unwillig schüttelt Etxe den Kopf. »Ich erzähle dir aber trotzdem bloß das, was jeder weiß und ich auch der Polizei damals erzählt habe.«
    Wenn jemand nicht reden will, schöpft ein Ermittler automatisch Verdacht. Das ist in jedem Krimi so.
    »Bisher wusste allerdings niemand, dass Sie viel Zeit verloren haben, weil Sie sich zunächst in der Tür irrten. Warum haben Sie

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