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Nur Ein Toter Mehr

Nur Ein Toter Mehr

Titel: Nur Ein Toter Mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramiro Pinilla
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Jahre angebrochen.
    »Das Volk leidet großen Hunger«, sage ich, »und am Schwarzhandel klebt Blut.«
    »Dafür kann ich nichts, ich habe den Krieg nicht angezettelt.«
    »Dieses fremde Pack …«
    »Von wegen fremd. Luciano Aguirre stammt aus Getxo, wusstest du das nicht?«
    Luciano Aguirre ist Baske? Wie immer fällt es mir schwer, zu glauben, dass jemand seine Gesinnung so einfach wechseln kann wie sein Hemd. Er hat gesagt, er kenne mich, das heißt, er muss schon einmal in meiner Buchhandlung gewesen sein; am besten frage ich Koldobike nach ihm, sie kann sich Gesichter besser merken als ich.
    Unvermittelt entfährt mir ein tiefer Seufzer. Wie kriege ich jetzt bloß die Kurve zurück zu meiner Ermittlung? Nachdem Eladio vorhin gänzlich unverhofft gestanden hat, einem zweiten Mordanschlag nur knapp entkommen zu sein, wurden wir, gerade als er mir von einem dritten Mordversuch erzählen wollte, durch Aguirre und seine Kumpane unterbrochen. Während ich nach einem möglichst harmlos klingenden Einstieg suche, um den verlorenen Faden wieder aufzunehmen, kommt mir Eladio Altube zuvor.
    »Ich muss wieder hinüber zu meinen Hühnern«, verkündet er nervös. »Aber so in etwa einer halben Stunde gehe ich hoch nach Algorta. Wenn du willst, kannst du mich begleiten.«
     
    Seine Arbeit besteht anscheinend vor allem darin, seinen Angestellten in der Halle herumzukommandieren, der wahrscheinlich alle Drecksarbeit machen muss, während sein Chef keinen Finger krümmt und sich nur die Kehle aus dem Hals schreit.
    Nach einer halben Stunde erscheint Altube auch tatsächlich wieder in der Tür des Geräteschuppens.
    »Ich muss ihm ständig auf die Finger schauen, sonst treibt er mich noch in den Ruin«, knurrt er, während er sich mit beiden Händen das karierte Hemd und die Wollhose abklopft.
    »Wie viele Hühner hast du eigentlich?«
    »So um die zweitausend.«
    »Die Leute hatten hier früher nie mehr als zwei, drei Dutzend Hühner«, sage ich. »Zweitausend bedeuten verdammt viel Arbeit für einen einzelnen Menschen.«
    Eladio Altube lässt meine Verteidigungsrede jedoch nicht gelten.
    »Mein Angestellter ist ein fauler Sack. Schau, Sancho, eine Mutter hat mit einem Kind doch genau die gleiche Arbeit wie mit zehn; mit zehn Kindern muss sie es nur anders angehen, schneller und effizienter. Mit zweitausend Stück Federvieh ist es genau dasselbe. Die Leute hier sind nur einfach unglaublich phlegmatisch. Wer hat die Massentierhaltung in Getxo eingeführt? Die Zwillinge. Wer hat den ersten Traktor gekauft? Die Zwillinge. Und was ist der Dank dafür? Ha! In den Augen der Bevölkerung sind wir Zwillinge nach wie vor die, die die anderen stets übers Ohr hauen. Dabei würden sie ohne uns noch immer wie in der Steinzeit leben. Aber wir Zwillinge werden noch viel mehr Neuerungen einführen, das garantiere ich dir.«
    »Die Zwillinge?«
    Eladios Miene verhärtet sich.
    »Ja. Für mich werden wir immer die Zwillinge sein. Ich fühle mich meinem Bruder noch genauso nah wie früher.«
    Von einem Haken an der Wand nimmt er eine Hose und heißt mich dann, draußen zu warten, bis er sich umgezogen hat. Anscheinend ist es für ihn ausgemachte Sache, dass ich ihn begleite, fast als wollte er mir geraten haben, diese »Chance« nicht auszuschlagen. Und wahrscheinlich hat er recht: Denn wer garantiert mir, dass er morgen nicht stumm ist wie ein Fisch? Altube ist ein launischer, unsteter Charakter, ein Fähnchen im Wind. Nein, es ist wirklich kein Verlass auf ihn, besser gesagt: Ich traue ihm nicht über den Weg.
    Kaum hat er sich die etwas sauberere Hose angezogen, ister auch schon draußen. Den Schuppen schließt er mit dem Schlüssel ab, den er in seine Hemdtasche steckt.
     
    »Das mache ich im Andenken an meinen Bruder«, sagt er, als wir bereits auf halbem Weg hoch nach Algorta sind. »Die Tür, meine ich. Egal, durch welche er gegangen ist, er hat sie immer abgeschlossen.«
    »Na, die Hühner fühlen sich wahrscheinlich auch sicherer, wenn abgesperrt ist. Hat dein Angestellter auch einen Schlüssel?«
    »Nein. Nicht einmal meine Kompagnons haben einen.«
    »Bei dir sind eure Geschäfte jedenfalls in sicheren Händen.«
    »Wäre schön, wenn Leonardo das mitbekäme, wo auch immer er jetzt ist«, seufzt er.
    Aus den Augenwinkeln werfe ich ihm einen schnellen Blick zu. Huscht da so etwas wie ein dunkler Schatten über dieses Gesicht mit dem Dreitagebart?
    »Täusche ich mich, oder hast du da noch was nicht ganz verdaut? Unter den

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