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Nur Ein Toter Mehr

Nur Ein Toter Mehr

Titel: Nur Ein Toter Mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramiro Pinilla
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ideale Zeuge eines jeden Detektivs wäre. Ich aber kann zumindest mit
einem
handfesten Ergebnis aufwarten, sage ich mir voller Stolz: Eladios Geständnis, dass man ihn danach noch zwei weitere Male beseitigen wollte, was er bisher noch keinem Menschen verraten hat.
    Unterdessen kommen wir an den ersten Geschäften vorbei. »Guten Morgen«, begrüßen mich die Passanten mit einer Spur von Mitleid, »Guten Morgen«, grüße ich zurück, Eladio Altube hingegen bedenken sie mit keiner Silbe, und auch er bringt den Mund nicht auf, er nickt bloß lustlos mit dem Kopf, falls ein Gruß ihn zufällig mit eingeschlossen hat. Wir überqueren die Eisenbahnschienen und gehen ein Stück die Avenida del Ejército entlang; ausnahmslos jeder Ort in Spanien hat neuerdings eine in »Allee der Armee« umbenannte Straße, das ist die, auf der Francos Truppen einmarschiert sind: womit aller Schrecken begann.
    »Deine Buchhandlung«, brummt Eladio Altube kurz darauf und deutet hinüber auf die rechte Straßenseite.
    Es würde gut in dieses Kapitel passen, wenn ich ihn jetzt hineinbitten – seinem anfänglichen Gefeilsche um mein Buch zufolge hat er in seinem Leben schon das eine oder andere Buch gelesen – und mich mit ihm in mein Büro setzen würde, um die Schlüsselszene von vorhin noch einmal nachzustellen, als er mir offenbarte, dass der Mörder ihm noch zwei weitere Male aufgelauert hat. Aber er hat es eilig, und bevor ich den Mund aufmachen kann, sind wir schon an meinem Laden vorbei.
    Vor der Eisenwarenhandlung gegenüber dem Bahnhof bleibt er schließlich stehen. Sie gehört ihm und den GebrüdernErmo von der Kneipe La Venta, und seit der Eröffnung um 1920 munkelt man in Getxo, sie würden sich gegenseitig argwöhnisch auf die Finger schauen.
    »Ich muss hier jeden Tag nach dem Rechten sehen«, sagt Eladio, während er die Tür aufstößt, worauf augenblicklich eine schrille Glocke ertönt. Grinsend sieht er mich an. »Joseba hört immer schlechter.«
    Hinter dem Tresen bedient ein magerer junger Bursche apathisch eine Bäuerin. Auch wenn er eine Spur reinlicher wirkt, sticht mir die Ähnlichkeit mit dem schmächtigen Kerl auf der Hühnerfarm sofort ins Auge: Sein Gesicht über dem viel zu weiten Hemd ist so ausgemergelt, dass es selbst in diesen schlechten Zeiten noch Aufsehen erregt. Wie jeder in Getxo weiß, werden Altubes Angestellte schlecht behandelt und noch elendiger bezahlt; viele von ihnen halten nicht einmal den ersten Monat durch und kündigen, noch ehe sie ihren ersten Hungerlohn erhalten haben.
    Trotz seiner Abgestumpftheit scheint dieser die Bäuerin aber tatsächlich zum Kauf einer Sense bewegt zu haben, denn gerade wickelt er sie ihr vorsichtig ein und nimmt dann das Geld entgegen. Im selben Moment geht die Tür zum Hinterzimmer auf, und Joseba Ermo erscheint auf der Schwelle, sodass die Scheine nicht in der Schublade, sondern in der Hand des Chefs landen – worauf Eladio Altube augenblicklich einen langen Hals macht, um sich zu vergewissern, dass die Summe, die Ermo in das alte Kassenbuch notiert, auch mit dem Geldbetrag in dessen Hand übereinstimmt.
    »Womit kann ich Ihnen dienen?«, fragt mich der Angestellte, nachdem die Tür hinter der Bäuerin ins Schloss gefallen ist.
    »Der begleitet mich bloß«, brummt Eladio Altube, während er mit Ermo im Hinterzimmer verschwindet.
    Joseba Ermo, der so schmierig und hinterhältig wirkt wie alle Ermos, hat mich nicht ein Mal angesehen, aber ich könnte wetten, er hat mich genau registriert, weshalb mich ein leichter Schauer durchrieselt; gegenüber Leuten, die immer und überall auf ihren Vorteil bedacht sind, fühle ich mich stets wehrlos.
    Aus dem Hinterzimmer hört man jetzt laute Stimmen. Joseba Ermo steht nicht mehr unter Verdacht als andere, Leonardo Altube getötet zu haben, aber gerade liefert er sich dort hinten ein hitziges Wortgefecht mit dessen Bruder. Wird es vielleicht geschürt durch die Verbitterung, ihn nicht mit beseitigt zu haben und so alleiniger Besitzer der Eisenwarenhandlung geworden zu sein? Unweigerlich stelle ich mir vor, was die beiden womöglich übereinander denken. Eladio Altube: »Er ist so sauer, weil er es nicht geschafft hat, mich aus dem Weg zu räumen.« Und Joseba Ermo: »Bild dir bloß nichts ein, das nächste Mal schaffe ich es.« Wie ist es möglich, dass sie nach dem, was vor zehn Jahren passiert ist, noch immer Geschäftspartner sind? Weil Eladio Altube genau weiß, dass Ermo nicht der Mörder ist?
    »Du kannst da in der

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