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Nur Ein Toter Mehr

Nur Ein Toter Mehr

Titel: Nur Ein Toter Mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramiro Pinilla
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umgeben zu sein.«
    »Blöderweise heiraten solche Männer nie«, murmelt Koldobike mit gesenktem Kopf, denn gerade knotet sie mir die Schnürsenkel auf, um mir noch die Schuhe auszuziehen, und sobald das getan ist, kommt sie auf ein ganz anderes Thema zu sprechen.
    »Übrigens war heute eine schwarz gekleidete Witwe da und wollte deine Dienste in Anspruch nehmen.«
    »Du hast ihr sicher erklärt, dass ich zurzeit … Wie sah sie aus? Vielversprechend?«
    »Satinkleid, darüber ein Jäckchen aus Seide mit Kaschmir, eleganter Florentinerhut, Handtasche und hochhackige Schuhe aus Krokoleder. Und das alles tiefschwarz.«
    »Und eine dunkle Brille.«
    »Eine geheimnisvolle, wohlhabende Dame.«
    »Mein Honorar ist für alle Kunden das gleiche: fünfzig Peseten pro Tag zuzüglich Spesen.«
    »Warum nur fünfzig? Im Moment brauchst du keine Angst zu haben, dass irgendwer das zu teuer finden könnte.«
    Wir sehen uns an und verkneifen uns dabei jedes Lächeln: Solche Kleinigkeiten schaffen Atmosphäre und sind für einen Roman wie das Salz in der Suppe.
    »Der Typ aus Neguri war auch wieder da und wollte für seine Karte von Getxo den größten Papierbogen kaufen, den wir haben.«
    »Oje, der mit seinen Schritten.«
    »Er meinte, eine Landkarte in Schritten wird den Menschen eher gerecht als eine in Kilometern. Er ist im Übrigen bereits die ganze Küste von Getxo abgelaufen.«
    »Sicher sind die aus der Irrenanstalt schon hinter ihm her«, brumme ich und wische die letzten Brotkrümel von meiner Hose.
    »Und was würdest du denken, wenn so ein fünfzigjähriger Intellektueller mit dicker Hornbrille dann noch nach ›Der große Schlaf‹ verlangt und beim Bezahlen zu dir sagt – und jetzt hör genau hin: ›Dieses Verbrechen von vor zehn Jahren ist anscheinend aus seinem großen Schlaf erwacht‹? Na, was würdest du denken?«
    »Das ist ein schlechter Witz. Was … was ich denken würde? … Ich weiß nicht … vielleicht, dass dank meiner heroischen Taten sich jemand endlich für die Bücher in meinem allerheiligsten Regal interessiert. Wenigstens das hätte ich erreicht …« Ich versuche mich aufzurichten, aber sie drückt mich wieder sanft nach hinten. »Vergiss bitte nicht, den Chandler nachzubestellen.«
    »Schon geschehen. Und ich bestelle am besten gleich auch noch die anderen Krimis nach. Denn wenn sich noch weiter rumspricht, was du gerade treibst, rennen dir die Leute sicher demnächst die Bude ein.«
    Meine Füße suchen Halt an der Wand, und nachdem ich so eine einigermaßen bequeme Position gefunden habe, erzähle ich ihr, dass Joseba Ermo die Kette gestohlen und Etxe das Gesicht des Falangisten wiedererkannt hat. Koldobike, die normalerweise nur über ihre eigenen Entdeckungen und Geistesblitze staunt, bleibt der Mund offen stehen.
    »Sag bloß, der Fall ist gelöst!«
    Irgendwie klingt das enttäuscht, so als ob sie bedauert, dass ich vielleicht schon beim Epilog meines Romans angekommen bin. Diesbezüglich kann ich sie jedoch beruhigen.
    »Ich fürchte nein. Wahrscheinlich erlag Lucio Etxe einer optischen Täuschung.«
    »Einer optischen Täuschung? Das glaube ich nicht!«Sprunghaft, wie sie ist, ist Koldobike im Nu wieder die Alte. »Lucio Etxe kennt sich mit dem Nebel am Strand aus, und wenn er sagt, er habe die Visage dieses Dreckskerls gesehen, dann stimmt das auch. Dieser Aguirre wäre doch der ideale Mörder, oder etwa nicht?«
    »Etxes Enthüllung ist in der Tat verlockend. Sehr sogar. Aber dennoch ist sie nicht hundertprozentig verlässlich: die Aufregung, die Dunkelheit, die Tatsache, dass es zehn Jahre her ist, als er im Nebel das Gesicht gesehen haben will: Das alles müssen wir bedenken … Und dann überleg mal, Puppe: Welchen Ort würde Lucio Etxe wählen, um jemanden umzubringen? Na? … Den Strand! Natürlich seinen Strand! Er kennt ihn wie seine Westentasche, ist mit seinen Geräuschen, dem Wind, den Gezeiten und den Gepflogenheiten der Fischer durch und durch vertraut. Es kann also durchaus sein, dass dieser linkische Wicht die Zwillinge an Apraiz’ Felsen gekettet hat und die Geschichte, die er uns aufgetischt hat, Humbug ist: dass er am Strand plötzlich Schreie gehört hat, auf Apraiz’ Felsen dann vergeblich versuchte, die Zwillinge loszumachen, Eladio ihn anflehte, er möge Hilfe holen, und, und, und … All das kann reine Erfindung sein.«
    »Ich glaube, dir geht’s wirklich schlecht.« Besorgt wiegt Koldobike den Kopf. »Die Tracht Prügel hat dir wohl ziemlich zugesetzt. Ich

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