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Nur Ein Toter Mehr

Nur Ein Toter Mehr

Titel: Nur Ein Toter Mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramiro Pinilla
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aufwirbeln?«
    »Ja, denn ich schreibe jetzt über das wahre Leben. Weißt du, ich dachte immer, ich müsste eine Geschichte erfinden, dabei hatte ich den Stoff die ganze Zeit schon vor mir.«
    Und dann erzähle ich ihr alles; sie, die für mich zu Hause immer die Kastanien aus dem Feuer holt, hat es mehr als alle anderen verdient.
    Natürlich reagiert sie erschrocken.
    »Sancho, für Verbrechen ist die Polizei zuständig!«
    »Krimiautoren aber auch: Sie brauchen attraktive Themen.«
    Der Anblick ihrer naturblonden Haare beruhigt mich nicht nur, er bringt mich ebenso kurz auf die heikle Frage, ob etwas mehr Natürlichkeit als das, was bei mir im Büro sitzt, nicht auch meinem Roman guttäte.
    »Ein Gesicht wie von einem Boxer und einen Körper vollerblauer Flecken willst du ja wohl nicht gerade als attraktiv bezeichnen.«
    Anstatt ihr zu erklären, dass solche schmerzhaften Erfahrungen in einem Kriminalroman Spannung erzeugen, drücke ich ihr nur einen Kuss auf die Wange.
    Und wie immer versteht sie auch diese Botschaft. Nachdem sie mir noch fürsorglich die Bettdecke zurückgeschlagen hat, geht sie, dreht sich auf der Schwelle jedoch noch einmal um.
    »Pass auf dich auf.«
    Versonnen sehe ich zu, wie die Tür leise ins Schloss gezogen wird, und steige aus meinen Hosen – da fallen ein paar zerknitterte Blätter zu Boden: Lucianos zweiter Schreibversuch.
     
    Das Leben und erst recht die kriminalistische Epik, wie sie dieser Dichter in Angriff genommen hat, der sich einst vom Firmament herab ganz dem Vaterland verschrieben hatte, wartet mit den unerhörtesten Überraschungen auf; und so kann es geschehen, dass man in einem weltvergessenen baskischen Dorf auf die Schmiede des Feuergotts Vulkan trifft, während man einem gewissen Tomasón und seinem Stammhalter Jacinto die Wahrheit entlocken will. Was hat sich das Schicksal dabei gedacht, als es mich ein paar Riesen die Stirn bieten ließ, die mit bloßen Händen Eisen verbiegen?
    Ihre Kleider starren vor Dreck, und sie haben die Gesichter von Verbrechern, darum würde es mich nicht wundern, wenn sie diesen Leonardo Altube umgebracht hätten, einen Basken, um den es weiß Gott nicht schade ist. Trotzdem drängt
es mich, den Weltverbesserer zu spielen, genau wie Don Quijote. Und so habe ich, um diesem sonderbaren Abenteuer auf den Grund zu gehen, gestern den lieben langen Tag mit einer Engelsgeduld die Polizeiprotokolle aus den Zeiten der zum Glück begrabenen Republik studiert, genauer gesagt aus dem Jahr 1935, als all diejenigen verhört oder beschattet worden waren, die unter Verdacht standen, die Altube-Zwillinge nachts am Strand von Arrigunaga an einen Felsen gekettet zu haben, damit sie in der ansteigenden Flut ertränken.
    Hinten in der Schmiede zeichneten sich zwei Gestalten scharf vor Vulkans Feuer ab.
    »Ich bin auf der Suche nach der Wahrheit.
Wer hat die Zwillinge umgebracht? Und vergesst nicht: Ich habe Methoden, um euch zum Reden zu bringen, die bestens erprobt sind.«
    »Noch einer?«, brüllte da der eine, gefolgt
von einem: »Der ist ja noch schlimmer als der an …
     
    Meine Hand berührt die Blätter auf dem Boden, als ich am nächsten Morgen aufwache. Weil die Kerze auf dem Nachttisch heruntergebrannt war und der Schlaf mich übermannt hat, habe ich die Szene in der Nacht nicht zu Ende gelesen. Beim Einsammeln der Blätter stelle ich fest, dass ich immer noch acht Seiten zu lesen habe: Was für ein Glück, dass Morpheus mich davor bewahrt hat.
    Heute muss Elise außer Haus nähen, sodass die Schlafmütze von ihrem Bruder allein zusehen muss, wie er von seiner Mutter unbemerkt aus dem Haus schleichen kann.
     
    Als ich in die Buchhandlung komme, ist es bereits nach elf. Resigniert weist Koldobike mit dem Kopf zu meinem allerheiligsten Regal, wo Luciano in einem Buch liest, das er hastig zurückstellt, als er mich sieht.
    »Große Neuigkeiten, Samuel!«, ruft er. »Jemand hat letzte Nacht Joseba Ermo vor seinem Haus eins übergezogen und ihm dann in der Eisenwarenhandlung die Kette gestohlen.«
    Schon wieder die Kette, denke ich. Koldobike und ich wechseln vielsagende Blicke.
    »Sieht so aus, als täte sich was«, erwidere ich zufrieden. »Bis jetzt habe ich nur alle möglichen Leute mit Fragen gelöchert und versucht, daraus meine Schlussfolgerungen zu ziehen. Aber jetzt hat irgendwas den Täter aus seinem Versteck getrieben, auch wenn ich noch nicht weiß, warum.«
    »Halt, nicht so schnell«, schaltet sich Koldobike ein, während sie eine

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