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Nur Ein Toter Mehr

Nur Ein Toter Mehr

Titel: Nur Ein Toter Mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramiro Pinilla
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Arschloch getan, dass er mich nicht nur beklaut, sondern mir auch noch die Tür zerstört?!«
    Nachdenklich runzele ich die Stirn. Offenbar sah sich der Täter von damals also gezwungen, seine Deckung zu verlassen. Bloß: warum? Fürchtet er, dass die Kette mir etwas erzählt, wenn sie mir in die Hände fällt? Oder will er mich damit zum Duell herausfordern, so im Stil: Wer ist hier der Schlauere, du oder ich?
    »Jetzt verliere ich schon nicht mehr nur meine Kunden«, jammert Ermo weiter, »sondern auch noch was, womit ich ein Schweinegeld hätte verdienen können. Ein ganzes Jahr bin ich mit Larrea nun schon am Feilschen. Mein Gott, ich bin echt ein Unglücksrabe.«
    Ich fahre herum.
    »Hast du eben Larrea gesagt?«
    »Ja, Luis Federico Larrea. Ein stinkreicher Kerl aus Neguri. Wenn man den auf den Kopf stellen würde, würden ihm die Lappen nur so aus den Taschen rieseln.«
    »Und der wollte die Kette kaufen?«
    »Er hat es Woche für Woche versucht.«
    Ich traue meinen Ohren nicht.
    »Und hat er dir gesagt, wozu er sie braucht?«
    »Er behauptete, er sammele alten Krempel und die Kettesei ein geschichtliches Zeugnis. Ja, genau das war der Begriff, den er verwendet hat: ein geschichtliches Zeugnis. Wie er mir erzählt hat, fertigt er gerade auch eine Karte von Getxo an, auf der die Entfernungen in Schritten angegeben sein sollen, damit man sich nicht unnötig anstrengt. Ein Spinner, wenn du mich fragst.«
    Ungläubig schüttele ich den Kopf. Kein Zweifel, es handelt sich um Koldobikes seltsamen Kunden, schließlich kann es unmöglich zwei dieser Verrückten in Getxo geben. Der Mörder ist er aber sicher nicht, denn diese Ehre bleibt dem vorbehalten, der ihm hier zuvorgekommen ist und die Kette an sich gerissen hat. Und ich fürchte, sie wird für immer spurlos verschwunden sein, mitsamt ihrem Geheimnis. Nur: Was für ein Geheimnis? Das werde ich hier im Laden wahrscheinlich nicht mehr herausfinden. Den Kerlen hier traue ich nicht über den Weg, am wenigsten dem Blauhemd, der emsig eine Seite nach der anderen vollschreibt, wahrscheinlich hält er noch die Farbe unseres Atems fest. Besser ich gehe und bespreche das Gehörte und Gesehene mit Koldobike – da fällt mir ein, dass ich noch einen Blick in Ermos privates Schrottlager werfen sollte.
    Ermos und Altubes Sortiment ist vielleicht nicht das größte, trotzdem reichen die Schubkästen bis hoch zur Decke. Niemand scheint davon Notiz zu nehmen, dass ich mich ein wenig im Laden umsehe. Ermo hat stöhnend seinen Kopf auf den Ladentisch gelegt und die Augen geschlossen, Luciano kritzelt eifrig in sein Heft, und Eladio macht dem schmächtigen Angestellten gerade Beine, damit er schneller eine Schachtel Schrauben sortiert.
    Die Tür rechts vom Ladentisch ist nicht abgeschlossen, sodass ich ungehindert in einen kleinen Flur mit zwei weiteren Türen gelange. Das Licht aus der Eisenwarenhandlung reicht aus, dass ich hinter der ersten Tür ein schäbigesBüro erkennen kann, darin einen winzigen Tisch mit einem Klappstuhl und an den Wänden wacklige Regale voller schmuddeliger, überquellender Aktenordner.
    Als ich leise die zweite Tür öffne, schlägt mir Kellermuff entgegen, und kaum haben sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt, erkenne ich zu meinen Füßen eine Holztreppe. Vorsichtig gehe ich drei, vier Stufen hinunter. Es riecht nicht nur modrig, sondern auch nach Alteisen. Schemenhaft erkenne ich in dem düsteren Kellerraum Berge von Schrott. Hier hat die Kette also zehn Jahre lang gelegen.
    »Auf seinem Hof hat man ihm immer alles geklaut, deshalb schafft er seine Schätze seit Jahren hierher«, höre ich auf einmal eine Stimme über mir.
    Ich drehe mich um. Oben im Türrahmen steht Eladio Altube. Zum Glück ist es im Keller düster, sodass er mein schamrotes Gesicht nicht sieht.
    »Das Geschäft macht er ganz allein. Wir haben vereinbart, dass er dafür den Keller nutzen darf, wenn er mich mit den Lieferanten die Konditionen aushandeln lässt und ich die Provision bekomme.«
    Selbst seine Kompagnons haut dieser Altube-Zwilling also noch übers Ohr, denke ich kopfschüttelnd, muss dann aber eine Frage loswerden, die mir in dem Moment in den Sinn gekommen ist.
    »Wusstest du, dass er sie in diesem Keller aufbewahrt hat?«
    »Ja.«
    »Von Anfang an?«
    »Seit er sie mitgenommen hat.«
    Die schemenhafte Gestalt im Türrahmen rührt sich keinen Millimeter.
    »Dann wusstest du also die ganzen zehn Jahre, dass das Mordinstrument, das deinen Bruder getötet hat, hier

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