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Nur Ein Toter Mehr

Nur Ein Toter Mehr

Titel: Nur Ein Toter Mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramiro Pinilla
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Feilen, die du mir gezeigt hast, überzeugt mich allerdings keine«, entgegnet der Kunde, den er gerade bedient, und sieht dann Joseba Ermo an. »Bis demnächst und gute Besserung, hoffentlich verheilt es schnell.«
    »Wer war das?«, will Luciano wissen, als er zur Tür hinaus ist.
    »Fidel, von den
Camisones
«, klärt Eladio ihn auf.
    »Der wollte überhaupt nichts kaufen, sondern nur das Resultat begutachten«, jammert Ermo. »Er war es nämlich, der mir eins übergezogen hat!«
    Kurz herrscht Totenstille.
    »Dir haben sie eine erstklassige Abreibung verpasst«, sagt Eladio dann schnell zu Ermo und pustet ihm über den Schädel.
    »Lass das«, wehrt Ermo ihn ab, »mir tut jeder Luftzug weh.«
    »Du solltest nach Hause gehen und dich ins Bett legen«,rate ich ihm. »Aber vorher würden wir gern noch wissen, wie es passiert ist.«
    »Dieses Arschloch! Und alles bloß, um mir meinen Schrott zu klauen.«
    »Na ja, das war schon ein bisschen mehr als nur Schrott: Es war die Kette, mit der …«
    »Stimmt, die Kette«, fällt er mir ins Wort, »aber auch noch anderen Kram, Schrauben und so.«
    »Der Dieb kam wegen der Kette«, widerspreche ich, »der Rest war reine Tarnung.«
    »So viel Aufwand für ein paar lächerliche Schrauben und diese blöde Kette«, meint Ermo geringschätzig. »Wozu?«
    »Aus demselben Grund, aus dem du sie all die Jahre versteckt hast, nachdem du sie am Strand gestohlen hattest.« Ermos Miene versteinert sich. »Der Wert von so einem makabren Erinnerungsstück kann sich mit den Jahren immens steigern.«
    »Wie ich es dir gesagt habe«, erklärt Eladio lachend zu mir und wendet sich gleich wieder an Ermo. »Na los, erzähl schon, wie es war.«
    Vorsichtig richtet Joseba Ermo seinen Oberkörper auf und dreht sich stocksteif auf dem Schemel zu uns her.
    »So wie es sich anfühlt«, knurrt er ächzend und schließt für einen kurzen Moment die Augen, »muss er mir mindestens eins mit einem Schmiedehammer übergezogen haben. Ich saß gestern Abend draußen vor Gurbietaena, als ich auf einmal Schritte hörte. Ich drehte den Kopf – und augenblicklich wurde mir schwarz vor den Augen … So ein Drecksack, so ein verdammter Drecksack!«
    Ich nicke. September ist Feigenzeit, und alle wissen, dass Joseba Ermo abends vor Gurbietaena sitzt, um seinen riesigen Feigenbaum zu bewachen, denn seit Garcías Tod bedient sich an dessen Früchten jeder.
    »Um in deinen Laden zu kommen, musste er dir den Schlüssel stehlen, nicht wahr?«, frage ich.
    »Er hat alle mitgenommen, die ich in der Tasche hatte, den ganzen Bund.«
    »Den Dieb haben allerdings nur zwei interessiert: der zu der Eingangstür deiner Eisenwarenhandlung und der zum Schrottlager, stimmt’s?«
    »Von wegen Schrott«, murrt Ermo.
    »Es
ist
Schrott«, hält Eladio Altube entgegen. »Die Abfälle aus der Eisenwarenhandlung.«
    Auf einmal lenkt mich ein Kratzen ab, sodass ich den Rest des Satzes nicht mehr höre: Neben mir kritzelt Luciano ohne Unterbrechung etwas in ein Heft. Kurz sieht er mich an und zieht dann die Schultern hoch, als wolle er sich bei mir entschuldigen, dass seine Schreibmethode eine andere ist als meine. Ich drehe mich wieder zu Ermo.
    »Und wo sind die Schlüssel abgeblieben?«
    »Als ich aus dem Krankenhaus kam, lagen sie hier auf dem Schemel.«
    »Und die Ladentür?«
    »Stand offen. Wären wir sonst hier?«
    »Also ein Dieb, der mitdenkt.«
    Mit gezücktem Bleistift schiebt Luciano mich zur Seite, baut sich vor Ermo auf und sieht ihm fest in die Augen.
    »Hat es nach Tabak gestunken, als du reinkamst? Nach Zigarre? Oder Zigarette?«
    Ganz offensichtlich hat das Blauhemd im Kino zu viele mittelmäßige Kriminalfilme gesehen.
    »Als ich vorhin reingekommen bin«, lässt sich da Eladio Altube vernehmen, der gerade die Tür hinter dem Kunden des jungen Angestellten zumacht, »sind mir ein paar tiefe Kratzer am Türschloss aufgefallen, die gestern, glaube ich, noch nicht da waren.«
    Schnell gehen Luciano und ich zu ihm, und in der Tat: Am Türschloss sind einige glänzende, noch nicht sehr alte Kerben zu sehen.
    »So wie’s aussieht, hatte er Schwierigkeiten, den Schlüssel ins Schloss zu stecken«, sage ich nachdenklich. »Na ja, bei der nervlichen Anspannung und der Angst, dabei überrascht zu werden … Wahrscheinlich haben seine Hände gezittert – wenn die Kratzer wirklich aus dieser Nacht stammen.«
    »Tun sie, tun sie, ich habe es auch gleich bemerkt!«, hören wir Ermo hinter uns. »Verdammt, was habe ich diesem

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