Nur eine Ohrfeige (German Edition)
zu Weihnachten zu ihnen, und jedes Mal, wenn Rosie am Ende ihren torkelnden Mann durch die Tür geleitete, drehte sich Hectors Mutter zu den anderen Griechen um, hob die Augenbrauen und rief,
Australezi
, was erwartet ihr? Es liegt ihnen eben im Blut!
Hector nahm ein Bier aus der mit Eis gefüllten Badewanne. Im Wohnzimmer lief die DVD. Er hörte, wie Adam den anderen Hugo vorstellte, und lächelte. Er klang wie Aisha, höflich und zuvorkommend.
Inzwischen waren auch Anouk und Rhys eingetroffen. Anouk sah aus, als wollte sie auf eine Cocktailparty statt zu einem Barbecue im Grünen. Ihr schwarzer Jeansrock reichte gerade mal bis an die Knie, und darunter blitzte ein Stück perlweiße Haut oberhalb der schwarzen Lacklederstiefel hervor. Sie trug eine durchsichtige schokoladenbraune Seidenweste über einem raffiniert gemusterten schwarzen Spitzen-BH. Hector beobachtete, wie seine Mutter bei Anouks Anblick die Lippen zusammenkniff und wütend das Gemüse auf dem Küchentresen klein schnitt. Aber als sie Anouks Freund vorgestellt wurde, hellte sich ihr Gesicht wieder auf. Rhys war Schauspieler in der Soap, für die Anouk Drehbücher schrieb, und auch wenn Hector die Serie noch nie gesehen hatte, war ihm sein Gesicht doch irgendwie bekannt. Er schüttelte ihm die Hand. Anouk küsste ihn auf die Wange. Ihr Atem roch süß und ihr Parfüm betörend, es duftete nach Honig und etwas Scharfem, Herbem. Es war mit Sicherheit teuer.
Hector wollte gerade Sonny Rollins auflegen, als ihm jemand auf die Schulter klopfte. Er drehte sich um und sah Anouk mit einer CD in der Hand.
»Kein Jazz. Aisha kann keinen Jazz mehr hören.« Sie klang ziemlich bestimmt, und er nahm die CD gehorsam entgegen. Sie warselbstgebrannt, und die Worte »Broken Social Scene« waren mit dickem blauen Edding auf den Rohling geschrieben.
»Leg die auf. Sie ist von Rhys. Hören wir uns doch mal an, worauf die jungen Leute heutzutage so stehen.«
Er legte die CD ein, drückte auf Play, stand auf und grinste sie an. »Die jungen Leute, ja? Also beschissener R & B, nehme ich an.«
Vom Grill zog jetzt schwarzer Rauch herüber, und Hector musste sich beherrschen, seinen Vater nicht anzupflaumen. Also machte er stattdessen die Runde und goss den Gästen nach, während Aisha die Samosas brachte. Die Frauen waren nach und nach aus dem Haus gekommen, und inzwischen standen alle auf dem Rasen oder auf der Veranda und tranken oder bissen in die köstlichen Pasteten. Ari hatte sich von der Gruppe entfernt und inspizierte den Garten. Harry gab bekannt, er habe Rocco an einer Privatschule in Strandnähe angemeldet, und wurde deswegen sofort von Gary angegriffen. Hector hielt sich aus der Sache raus. Sandi hingegen wandte ein, dass die Schule in ihrer Gegend nicht für ihren Sohn geeignet sei, da das Gebäude heruntergekommen und die Klassen viel zu groß seien. Sie wollte ihr Kind ja auf eine staatliche Schule schicken, aber es gab in ihrer Umgebung keine, die annehmbar gewesen wäre. Hector wusste, dass das unmöglich stimmen konnte. Sandi und Harry waren ihrer Unterschichtenkindheit entflohen und lebten jetzt in einer Topwohngegend.
»Hör zu«, unterbrach Harry seine Frau. Hector spürte, wie sehr Garys Kritik seinen Cousin wurmte. »Du brauchst mir nichts über staatliche Schulen erzählen, mein Freund, ich war selbst an einer. Das war damals schön und gut, aber ich werde Rocco hier bestimmt nicht auf die Highschool schicken. Die Zeiten haben sich geändert – die Regierung, egal ob Labor Party oder die Liberalen, kümmert sich einen Scheiß um Bildung. Jede Menge Drogen, aber dafür zu wenig Lehrer.«
»Drogen gibt es überall.«
Harry wandte sich ab und flüsterte Manolis auf Griechisch zu: »Den Australiern sind ihre Kinder scheißegal.«
Sein Vater lachte, und plötzlich meldete sich Hectors Mutter zu Wort.
»Aber was, wenn alle schicken ihre Kinder an private Schulen. Das ist schlecht für staatliche. Dann gehen nur sehr, sehr arme Menschen hin, und die Regierung gibt kein Geld mehr. Ich finde das furchtbar. Ich bin froh, ich habe meine Kinder an staatliche Schule geschickt.«
»Das waren andere Zeiten. Die Welt ist seitdem vor die Hunde gegangen. Heute ist jeder auf sich allein gestellt. Ich bin immer noch für öffentliche Schulen, versteht mich nicht falsch, aber ich setze für meine Überzeugung nicht Roccos Bildung aufs Spiel. Sandi und ich sind beide für ein staatliches Bildungssystem – daran ändert sich nichts.«
»Wie soll das gehen?«
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