Nur eine Ohrfeige (German Edition)
Tagen.«
Innerhalb einer Stunde war das Haus voll. Seine Schwester Elisavet kam mit ihren beiden Kindern Sava und Angeliki. Aisha legte
Toy Story
in den DVD-Player, der Film kam immer wieder gut an. Hector hatte eine Menge übrig für seinen Neffen Sava, der ein Jahr jünger war als Adam, aber schon selbstbewusster und gebildeter wirkte, und auch mutiger als sein eigener Sohn. Sava war schlank und agil, körperbewusst. Er hatte direkt vor dem Bildschirm Platz genommen, sprach die Dialoge unhörbar mit und tat so, als sei er Buzz Lightyear. Adam saß im Schneidersitz neben ihm. Die Mädchen, Melissa und Angeliki, hatten es sich auf der Couch gemütlich gemacht, sahen sich den Film an und flüsterten miteinander.
»Es ist so schön draußen, ihr solltet rausgehen und spielen.«
Die vier ignorierten ihre Großmutter.
»Schon gut, Koula, lass sie den Film sehen.«
Seine Mutter ignorierte wiederum Aisha und sagte auf Griechisch zu Hector: »Immer sitzen sie vor diesem verdammten Fernseher.«
»Genau wie wir damals, Mutter.«
»Das stimmt nicht.« Mit diesen Worten schob sie ihn beiseite und marschierte in die Küche. Sie nahm Aisha das Messer aus der Hand. »Lass mich das machen, Liebes.«
Der Rücken seiner Frau verspannte sich.
Das Wetter war perfekt, ein tropischer Spätsommernachmittag unter blauem Himmel. Sein Cousin Harry kam mit seiner Frau Sandi und ihrem Sohn, dem achtjährigen Rocco, und kurz darauf erschienen Bilal und Shamira mit ihren beiden Kindern. Der kleine Ibby rannte sofort ins Wohnzimmer und ließ sich neben Adam und Sava fallen, wobei er sie kaum zur Kenntnis nahm und die Augen auf den Bildschirm heftete. Sonja, die Kleinste, klammerte sich ängstlich an den Knien ihrer Mutter fest, aber dann lockte sie das Lachen aus dem Wohnzimmer doch allmählich aus der Küche weg und sie setzte sich schweigend zu den anderen. Aisha stellte ein Tablett mit Hacktörtchen und Würstchen im Teigmantel auf den Couchtisch, und die Kinder machten sich sofort darüber her.
Hector ging mit Bilal nach hinten in den Garten, sein Vater reichte beiden ein Bier.
Bilal lehnte mit dezentem Kopfschütteln ab.
»Komm schon, nur eins.«
»Ich trinke keinen Alkohol mehr, Manoli. Das weißt du doch.«
Hectors Vater lachte. »Du bist bestimmt der einzige Aborigine in Australien, der nicht trinkt.«
»Nein. Ich glaube, in Townsville soll es auch noch einen geben.«
»Ich hol dir eine Cola.«
Während sein Vater in Richtung Veranda schlurfte, entschuldigte sich Hector bei seinem Freund.
Bilal hob abwehrend die Hand. »Mach dir deswegen keine Sorgen. Er kennt mich noch aus der Zeit, als ich dauernd betrunken war.«
»Das waren wir doch alle, oder?«
Es war kurz vor Ende der Schulzeit gewesen, damals nanntesich Bilal noch Terry. In Hectors Erinnerung war ihre Jugend eine einzige endlose Party gewesen, Clubs, Konzerte, Drogen, Alkohol, Mädchen. Manchmal gab es auch Ärger – zum Beispiel als sie nachts vor dem
Inflation
in der King Street standen und der Türsteher Terry nach einem Blick in sein stolzes, dunkles, pockennarbiges Gesicht den Eintritt verwehrte. Hector holte aus und versetzte ihm einen Schlag mitten auf die Nase. Der Kerl brüllte los und stürzte sich auf sie, warf Hector gegen einen geparkten Wagen – er wusste noch, dass es ein Jaguar war –, hielt mit dem einen Arm Terry auf Abstand und prügelte mit dem anderen immer wieder auf Hector ein, in den Rücken, ins Gesicht, in den Magen, in die Weichteile. Eine Woche lang lag er flach, und obendrein war Terry auch noch wütend auf ihn, weil er überhaupt damit angefangen hatte. »Du dämlicher Kanake, hab ich dich vielleicht gebeten, mich zu verteidigen?«
Hectors Mutter hatte natürlich die ganze Schuld auf seinen Freund geschoben. »Dieser Terry ist eine Bestie«, schrie sie. »Warum bist du mit diesem
mavraki
befreundet, diesem Eingeborenen, der nichts anderes kann als sich betrinken.« Aber sie waren immer gute Freunde gewesen, schon seit der achten Klasse, und diese Freundschaft blieb auch bestehen, als Terry zur Fachhochschule ging, um Gebärdensprache zu studieren, während Hector sich an der Uni für ein Wirtschaftsstudium einschrieb. Inzwischen waren sie Anfang vierzig und lebten immer noch in derselben Gegend, in der sie aufgewachsen und zur Schule gegangen waren. Diese Kontinuität wussten sie beide zu schätzen, auch wenn sie sich nur selten sahen. Terry hatte den Islam für sich entdeckt, seinen Namen geändert und aufgehört zu
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