Nur eine Ohrfeige (German Edition)
Plötzlich schaltete sich auch Bilal ein, der bis dahin nur zugehört hatte. »Du weißt doch gar nicht, wie es an der Highschool aussieht. Woher willst du dann wissen, womit meine Kinder sich auseinandersetzen müssen?«
»Ich kann verdammt nochmal Zeitung lesen.«
Bilal lächelte und beließ es dabei. Aisha schwieg. Hector wusste, dass ihr die Unterhaltung nicht gefiel. Immerhin kam dasselbe Thema mit zunehmend unangenehmer Regelmäßigkeit zwischen ihnen beiden auf. Sie machte sich Sorgen um Adams mangelnde schulische Fähigkeiten und wollte ihn an einer Privatschule anmelden. Hector bezweifelte, dass die Schule schuld war, der Junge war einfach nicht besonders clever. Bei Melissa war das anders. Sie war faul, würde in der Schule aber wahrscheinlich gut klarkommen. Und genau deswegen stellte sich die Frage bei ihr gar nicht. Sie war an der Northcote High gut aufgehoben, mehr als gut. Er fand, dass Privatschulen nicht gut für den Charakter eines Kindes waren. Die Jungs machten immer einen verweichlichten Eindruck, und die Mädchen waren meist eingebildet und kalt.
»Hast du keine Angst, was die Schule aus deinem Kind macht?«
Es war, als hätte Gary seine Gedanken gelesen.
Harry ignorierte ihn und bat Hector auf Griechisch um ein Bier.
Gary ließ nicht locker. »Es stört dich also nicht, dass er mit einem Haufen reicher Snobs rumhängen wird?«
»Hör zu, mein Freund, Roccos Großeltern beiderseits waren Fabrikarbeiter. Sein Vater ist Automechaniker. Ich bin sicher, dass er nicht vergisst, wo er herkommt.«
»Du hast doch eine eigene Werkstatt, oder?«
Hector wusste, dass Garys Fragen nicht böse gemeint waren, dass er ein ernsthaftes Interesse an Menschen hatte und daran, wie sie lebten. Aber er wusste auch, dass sein Cousin aufdringliche Fragen nach seinem Privatleben hasste, und hielt es deshalb für besser einzugreifen.
»Ich denke, es ist Zeit für die Würstchen. Was meinst du, Papa?«
»Fünf Minuten.«
Gary verstummte. Harry hatte ihm den Rücken zugewandt und redete mit Dedjan über Sport. Um Frieden zu stiften, unterhielt sich Sandi weiter mit Rosie über die Kinder.
Nach anfänglichem Widerwillen beteiligte Gary sich bald angeregt an ihrem Gespräch und beschrieb, mit welcher Freude er Hugo aufwachsen sah und versuchte, dessen immer komplexer werdende Fragen zu beantworten. »Wisst ihr, was er mich neulich gefragt hat, als wir im Park schaukeln waren? Er wollte wissen, woher seine Füße Schritte machen können. Das hat mich umgehauen. Hat mich einige Zeit gekostet, das zu beantworten.«
Ja, ja. Wessen Kind hatte diese blöde Frage nicht gestellt? Hector ging rüber zu Ari, der eine Zigarette rauchte und den Gemüsegarten betrachtete, die dunklen, reifen Auberginen, die jeden Moment von ihren dicken farblosen Stengeln zu fallen drohten.
»Willst du was trinken?«
»Ich hab noch mein Bier.«
»Das sind die letzten
Melitzanes
, die müssen wir in den nächsten Wochen aufbrauchen.«
»Ihr könnt ja Moussaka daraus machen.«
»Ja, vielleicht. Aish kocht viel mit Auberginen. Inder mögen das gern.«
Sie standen schweigend nebeneinander. Hector wusste nicht recht, was er sagen sollte. Aris Gesicht zeigte keinerlei Regung, sein Blick war vollkommen emotionslos.
»Was machst du beruflich?«
»Kurier.« Nur das eine Wort, mehr wollte er nicht preisgeben. Kein Hinweis darauf, ob er selbständig war oder für eine Firma arbeitete oder Teilhaber war. Komm schon, Junge, dachte Hector, hilf mir ein bisschen.
»Bist du auch im öffentlichen Dienst?« Ari zeigte auf Dedj, der sich immer noch mit Harry unterhielt.
»Kann man so sagen.« Es war lächerlich. Warum war es ihm jedes Mal peinlich, wenn er seinen Job erwähnte, als wäre es etwas Unrechtes, als wäre es keine richtige Arbeit? Oder lag es einfach nur daran, dass es so langweilig klang?
Ari schien aufzutauen. »Glück gehabt«, sagte er grinsend. »Guter Job«, fügte er mit übertrieben ausländischem Akzent hinzu.
Hector musste lachen. »Guter Job«, echote er – dasselbe hatten seine Eltern gesagt. Und sie hatten recht. Scheiß aufs Peinlichsein. Was wäre er denn gern gewesen? Rockstar, Jazzmusiker? Das waren alte Teenagerträume.
Er sah rüber zu Dedj und Leanna, die seinen Cousin zum Lachen brachten. Als er seinen Abschluss gemacht hatte, war er dreiundzwanzig und voller Idealismus gewesen. Er hatte sich erfolgreich als Buchhalter bei einer angesehenen internationalen Hilfsorganisation beworben, es aber kein Jahr dort
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