Nur eine Ohrfeige (German Edition)
trinken, um sich seinem neuen Glauben zu widmen und sich um seine Familie zu kümmern. Es freute Hector zu sehen, wie er die Cola von Manolis entgegennahm und sich mit seinen paar Brocken Griechisch bedankte, die Hector ihm mit vierzehn beigebracht hatte. Hector wusste, dass Bilal heute glücklicher war als jemals zuvor. Er verlor sich nicht mehr in seiner Zerstörungswut, begab sich nicht mehr ständig inGefahr oder forderte den Tod heraus. Aber Hector vermisste auch die Nächte, in denen sie sich betranken, lachten, Musik hörten und high waren. Er wünschte, er könnte seinen Freund in zwei teilen: In erster Linie wollte er, dass er Bilal war, aber manchmal hätte er auch gern einen Abend mit Terry verbracht. Diese Zeiten waren lange her.
Kurze Zeit später erschienen Hectors Arbeitskollegen von der Behörde. Dedj kam mit einem Kasten Bier herein, zusammen mit Leanna, die eine Flasche Wein in der Hand hielt. Ihnen folgte ein dunkelhäutiger Mann, etwas jünger als der Rest von ihnen – Hector schätzte ihn auf ungefähr dreißig –, unrasiert und mit mürrischem Blick. Das Gesicht kam ihm bekannt vor. Hector fragte sich, ob er mit Dedj oder mit Leanna da war. Dedj stellte das Bier auf den Rasen, umarmte Manolis und küsste ihn dreimal auf die Wangen. Er zeigte auf den Unbekannten.
»Das ist Ari.«
Hectors Vater fing etwas Smalltalk auf Griechisch an, aber Aris Griechisch war gebrochen und unbeholfen. Also wandte sich Manolis ab und konzentrierte sich wieder auf die Kohlen.
»Lass doch, Papa. Es dauert noch, bis wir essen.«
»Nein, Manoli, kümmere du dich ruhig um den Grill. Der braucht ein paar Stunden, bis er richtig glüht.«
»Siehst du?«, triumphierte sein Vater. »Deine Frau hat mehr Grips als du.« Der alte Mann legte den Arm um seine Schwiegertochter, und Aisha drückte seine Hand.
»Aish, das ist Ari.«
Hector fiel auf, wie der junge Mann sie bewundernd ansah, und war stolz auf seine schöne Frau.
»Du kommst mir irgendwie bekannt vor, Ari. Haben wir uns schon mal irgendwo gesehen?«
Er nickte. »Yep, wir sind im selben Fitnessstudio.« Ari zeigte in Richtung Westen. »Gleich um die Ecke.«
»Stimmt.« Jetzt erkannte auch Hector ihn. Er war einer derTypen, die eigentlich immer da waren. Hector ließ sich bestenfalls sporadisch blicken. Seine morgendlichen Übungen waren die einzige sportliche Konstante in seinem Leben. Diese Woche würde er wohl hingehen müssen, um die Kalorien vom Barbecue loszuwerden. Und dann dauerte es wahrscheinlich wieder Wochen bis zum nächsten Mal. Ari gehörte bestimmt zu der Sorte, die die ganze Zeit im Northcote Gym abhingen und deren soziales Leben in erster Linie dort stattfand.
Als Nächstes kamen Aishas Freunde Rosie und Gary mit ihrem dreijährigen Sohn Hugo. Hugo sah aus wie ein Engel. Er hatte das strohblonde Haar und die fast gespenstisch glasig-blauen Augen seiner Mutter geerbt. Der Junge sah bezaubernd aus, aber Hector hatte ihn schon von einer weniger hübschen Seite kennengelernt und traute ihm nicht über den Weg. Als Einjähriger hatte er Aisha einmal getreten, während sie auf ihn aufgepasst hatten. Sie hatten immer klare Bettgehzeiten für ihre eigenen Kinder gehabt, aber Hugo waren solche Regeln fremd. Er hatte geweint und gebrüllt und dann angefangen, um sich zu treten, als Aisha ihn hochhob und ins Bett bringen wollte. Wie ein wildes Tier hatte er sich gewehrt und sie dabei am Musikantenknochen erwischt. Sie hatte vor Schmerzen aufgeschrien und den Jungen fast fallen gelassen. Hector hätte ihn am liebsten an die Wand geworfen. Stattdessen hatte er Hugo seiner Frau aus den Armen gerissen, ohne ein Wort ins Schlafzimmer getragen und aufs Bett geschmissen. Er wusste nicht mehr genau, was er gesagt hatte, auf jeden Fall hatte er ihm irgendetwas direkt ins Ohr gebrüllt, woraufhin Hugo zusammengezuckt und in ein langes, ungläubiges Schluchzen ausgebrochen war. Als ihm bewusst geworden war, wie sehr er den Jungen verängstigt hatte, hatte Hector ihn auf den Arm genommen und in den Schlaf gewogen.
»Und, was gibt es zu trinken?« Gary rieb sich die Hände und sah Hector erwartungsvoll an.
»Ich hole dir etwas«, antwortete sein Vater. »Willst du Bier?«
»Ja, danke, Manny, irgendwas.«
»Lass mal, Papa, ich geh schon.«
Gary würde bald betrunken sein. Wie sonst auch. Es war eine Art Running Gag in der Familie, sehr zum Missfallen von Aisha, die nicht wollte, dass man über ihn herzog. Gary und Rosie kamen seit Jahren immer mal wieder
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