Nur eine Ohrfeige (German Edition)
Am Maschendrahtzaun hing ein Schild:
Versteigerung. Familienfreundlich.
Rosie musste schmunzeln. Wie Gary diesen Ausdruck hassen würde. Familiäre Werte, Familienpolitik, alles, was mit »Familie« zu tun hatte, war ihm zuwider. Einige Nachbarn, darunter ein alter,griechisch aussehender Mann, lehnten an ihren Zäunen und musterten den Strom von Leuten, die dort ein- und ausgingen. Ein Stück weiter die Straße hinauf spielten ein paar Kinder Fußball, beaufsichtigt von einer Afrikanerin mit Kopftuch. Es war eine ruhige Straße. Hier hätte sie keine Angst, wenn Hugo draußen spielte.
Das Haus selbst war eher trostlos. Man konnte es nicht anders sagen. Nachdem die Mieter ausgezogen waren, wirkte es wie ein Rohbau, ohne jede Persönlichkeit oder Charme. Die Zimmer waren klein, der Teppichboden ausgeblichen, und im Badezimmer und in der Waschküche roch es feucht. Dafür war das Grundstück ziemlich groß, und in der hintersten Ecke stand ein geräumiger Schuppen. Um den Garten hatte sich seit Jahren niemand mehr gekümmert, die kleinen Beete waren übersät mit hässlichem Unkraut. Aber Rosie sah den beiden an, dass sie begeistert waren. Unauffällig zog sie sich ins Haus zurück. Da sie als Einzige allein zur Besichtigung gekommen war, kam sie sich ziemlich blöd vor. Ein junges Paar nach dem anderen besichtigte die Räume, überprüfte die Klospülung, klopfte gegen die dünnen Wände und vermaß die Zimmer. Als sie angekommen waren, hatte ihr der pausbäckige Makler ein Infoblatt entgegengestreckt, das sie dankend abgelehnt hatte. Er stand immer noch unter dem Vordach und wollte es ihr gerade erneut anbieten, als er sie erkannte und es mit einem Lächeln wieder zurückzog. Einem spontanen Impuls folgend streckte sie die Hand aus. Das Foto darauf zeigte das Haus von seiner vorteilhaftesten Seite, schräg von unten fotografiert, sodass es höher und breiter erschien. Auf der Rückseite befand sich ein Grundriss. Es gab nur zwei Schlafzimmer, die Kinder würden zusammen in einem schlafen müssen, aber das taten sie auch in der Wohnung, in der Shamira und Bilal in Preston zur Miete wohnten.
»Würden Sie gern in Thomastown wohnen?« In den Worten des Maklers schwang ein leichter Zynismus mit, als hätte er Rosie beobachtet und festgestellt, dass ihre Kleidung zwar aus dem Secondhandladen stammte, aber doch stilvoll zusammengestellt war, und sie teure Birkenstock-Sandalen trug.
Sie wich seiner Frage aus. »Was meinen Sie, für wie viel es versteigert wird?«
Seine Antwort blieb vage. »Zwischen zweihundertdreißig und zweihundertsechzig, schätze ich.« Diesem »schätze ich« war nichts hinzuzufügen. Zwischen zweihundertdreißig und zweihundertsechzig – ein Schnäppchen, mit Einkaufsmöglichkeiten, Schule und Bahnverbindung. Ein Schnäppchen, das sie sich nicht leisten konnte und für das jemand höchstwahrscheinlich sehr viel mehr bezahlen würde. Dreihunderttausend beschissene Dollar. Für diese Schutthalde, diese Quintessenz hässlichen, durchschnittlichen Vorstadtlebens? Sie gab ihm das Infoblatt zurück.
»Sind Sie an einer Finanzimmobilie interessiert?« Der Mann zog eine Karte aus der Tasche und gab sie Rosie. »Rufen Sie mich jederzeit an.«
Versuchte er, mit ihr zu flirten? Wie alt war er? Fünfundzwanzig? Jünger? Sie war sicher, dass er mit ihr flirtete, und fand den Gedanken sowohl erfreulich als auch absurd. Sie warf einen Blick auf die Karte. Lorenzo Gambetto.
»Danke, Lorenzo.«
»Jederzeit.«
»Ich bin nur mit Freunden hier.«
»Ah, ja. Ich habe das Paar gesehen.« Er sagte es ganz beiläufig, aber die Neugier in seiner Stimme blieb ihr nicht verborgen. Das Paar. Ihr waren die Blicke – die meisten dezent, manche aber auch unverhohlen – sofort aufgefallen, als Shamira und Bilal aus dem Wagen gestiegen waren. Der Mann war ganz offensichtlich ein Aborigine, die Frau eine Muslimin, aber mit dem Gesicht und der Hautfarbe eines typischen australischen Mädchens aus der Arbeiterklasse.
Was waren das für Leute?
»Was meinst du?«
Sie gab die Frage diskret an Shamira zurück. »Was meinst
du
denn?«
»Es gibt nur zwei Schlafzimmer, aber mehr können wir uns eh nicht leisten, es sei denn, wir ziehen ein ganzes Stück weiter raus.Ich will unbedingt in der Nähe von Mum und Kirsty bleiben, und Bilal will nicht zu weit von seiner Arbeit wegziehen. Ich könnte gut hier wohnen.« Shamiras Augen strahlten begeistert.
Rosie wusste genau, was sie sagen musste. »Ich fand es auch gut. Die Gegend
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