Nur eine Ohrfeige (German Edition)
wirkt einladend, jede Menge Kinder auf der Straße, und die Grundschule ist gleich um die Ecke.«
»Und ein Stück weiter die Highschool, für später.«
Rosie lächelte Bilal an und fragte sich, ob er die Skepsis dahinter heraushörte. Wie lange würden sie hier leben wollen? Wie lange würden sie es hier wohl aushalten?
»Es ist perfekt.«
Mit halbem Ohr hörte sie ihnen auf dem Rückweg zu, verfolgte ihre Begeisterung, ihre Bedenken, ihre Nervosität. Sie fragte sich, wie sie Gary dazu bringen sollte, auch nur einen einzigen Besichtigungstermin wahrzunehmen.
Als die Spring Street in die St. Georges Road überging, kam die Skyline von Melbourne in Sicht. Dies war der Ort, an dem sie leben wollte, dies war seit Jahren ihre Welt, und sie träumte davon, dort ein Haus zu kaufen. Aber wenn irgendein Drecksloch in Thomastown für dreihundert Riesen wegging, dann würden sie sich hier niemals etwas leisten können. Der Norden Melbournes. Die Cafés. Ihre Lieblingsläden. Das Schwimmbad. Mit der Straßenbahn in die Smith Street und die Brunswick Street. Lange Spaziergänge am Yarra River und am Merri Creek. Es war ungerecht.
»Und wann ist die Versteigerung?«
»In einem Monat.«
Das wäre das Wochenende nach der Anhörung. Da Bilal den ganzen Tag arbeitete, würde Shamira sich um alles kümmern müssen. Rosie hatte keine Ahnung, was genau zu tun war, aber sie nahm an, dass sie zu Banken, Anwälten, Maklern, weiß der Himmel wem rennen musste. Hatte sie dann überhaupt noch Zeit für sie?
Shamira las ihre Gedanken, drehte sich nach ihr um und nahm ihre Hand. »Ich bin auf jeden Fall dabei.«
Rosie war ihr unglaublich dankbar.
Erst dachte sie, dass niemand zu Hause sei und Richie mit Hugo in den Park gegangen war. Aber dann hörte sie Geräusche aus dem Garten. Vorsichtig trat sie die Fliegengittertür auf und ging nach draußen. Durch die zerbrochene Fensterscheibe im angebauten Gartenhäuschen sah sie Gary rauchen.
Als sie hereinkam, blickten alle auf. Sie hatte das Gefühl, sie bei einer Art Männerritual zu stören. Garys Miene war vollkommen ausdruckslos. Richie, der im Schneidersitz auf dem Boden saß und einen Haufen Magazine auf dem Schoß liegen hatte, sah schuldbewusst und mit offenem Mund zu ihr hoch. Hugo strahlte sie an und stürmte auf sie zu. Sie wollte ihn hochheben, verlor dabei fast das Gleichgewicht und musste sich am Türrahmen abstützen. Bald würde sie ihn nicht mehr so einfach in den Arm nehmen können. Er nabelte sich allmählich von ihr ab, und das versetzte ihr einen Stich, sie wünschte, er wäre wieder ein Baby, ein winziges Etwas, das perfekt in sie hineinpasste. Sie küsste ihren Sohn ein-, zwei-, dreimal und setzte ihn dann wieder ab.
»Mami«, rief er. »Wir haben Busen angeguckt.«
Richie hatte eilig ein Heft zugeklappt, als sie hereingekommen war, und jetzt erkannte sie auch den Stapel auf seinem Schoß. Es war Garys
Playboy
-Sammlung, die er auf einem Flohmarkt in Frankston gekauft hatte und die seitdem jeden Umzug mitgemacht hatte. Es waren vor allem Ausgaben aus den späten Siebzigern und Achtzigern, aus heutiger Sicht vollkommen harmlos. Trotzdem, was zum Teufel hatte Gary sich dabei gedacht, einem Kind und einem Jugendlichen Bilder von nackten Frauen zu zeigen? War ihm nicht klar, wie pervers das aussehen musste?
Gary zog ein letztes Mal an seiner Zigarette und drückte sie in der Erde aus. »Kannst du dir vorstellen, dass Rich noch nie einen
Playboy
gesehen hat?« Er zwinkerte ihr zu. »Aber vermutlich spielt das heutzutage keine Rolle mehr. Schließlich gibt es ja Internet.«
Bei diesen Worten erhob sich Richie, woraufhin sämtliche Hefte zu Boden fielen und die Poster herausrutschten. Tief beschämt kniete Richie sich hin und fing an, die Hefte planlos aufeinanderzustapeln.Rosie empfand Mitleid und Zuneigung für ihn. Sie wusste genau, was Gary im Schilde führte. Er hatte den Jungs die Hefte mit Absicht genau dann gezeigt, wenn sie jeden Augenblick nach Hause kommen konnte. Er wollte sich an ihr rächen, weil sie mit zu der Hausbesichtigung gefahren war. Das Beste war, gar nicht weiter darauf einzugehen. Das hatte sie bereits in dem Moment gewusst, als sie den Schuppen betreten hatte. Das Beste war, sich nicht aufzuregen. Dieser sture Scheißkerl legte es nämlich nur darauf an.
Rosie ging in die Hocke und half Richie, die Hefte aufzusammeln. »Mein Vater hat auch immer
Playboy
gelesen«, sagte sie. »Wegen der Interviews.«
Offensichtlich kannte Richie den
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