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Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Titel: Nur eine Ohrfeige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christos Tsiolkas
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alten Witz nicht. Er konnte ihr immer noch nicht in die Augen sehen, und seine Wangen glühten nach wie vor.
    »Ich mache jetzt Mittagessen. Du bist herzlich eingeladen.«
    Richie nuschelte irgendetwas kaum Hörbares, dem sie entnahm, dass seine Mutter ihn zum Essen erwartete.
    Sie stand auf und sah Hugo an. »Möchtest du die Brust, Schatz?«
    Daraufhin drehte sie sich um und ging mit ihrem Sohn an der Hand nach draußen. Sie war sicher, dass Garys Blick ihr folgte.
    Gary bekam, was er wollte. Natürlich gab es Streit. Er wartete nur auf einen Anlass, um herumzustänkern, sie anzubrüllen und sie schlechtzumachen. Ein Alibi, damit er in die Kneipe gehen und bis zum Ende dableiben konnte, vielleicht noch weiter durch die Nacht zu ziehen und dann irgendwann im Morgengrauen nach Hause zu stolpern. Das war es, was er wollte, darauf lief es jedes Mal hinaus.
    Zuerst blieb sie gelassen. »Ich schätze, du bist sauer, weil ich Richie die Hefte gezeigt habe.«
    »Nein, das ist mir egal.«
    Dann beschwerte er sich, es sei zu wenig Salz an den Nudeln gewesen, und machte höhnische Bemerkungen, als Hugo nach dem Essen gestillt werden wollte. Fluchend lief er durch den Flur, weiler angeblich eine bestimmte Ausgabe von
Good Weekend
mit der jungen Grace Kelly auf dem Cover vermisste.
    »Du hast sie weggeworfen, gib es zu!«
    »Nein, Gary, hab ich nicht.«
    »Du wirfst doch ständig meine Sachen weg.«
    »Ich habe sie nicht weggeworfen.«
    »Wo ist sie dann?«
    »Ich weiß es nicht, Gary.«
    »Was weißt du eigentlich, weißt du überhaupt irgendetwas, du dämliche Kuh?«
    Als sie sich kurz hinlegen wollte, legte er mit voller Lautstärke
Marquee Moon
von Television auf, Musik ohne jede Leichtigkeit und Melodie, sodass sie kein Auge zubekam. Nach dem Essen fing er direkt an zu trinken, hatte um vier ein Sixpack geleert und sie dann beschimpft, als sie zögerte, ihm zwanzig Dollar zu geben, damit er noch mehr Bier kaufen konnte.
    »Ich arbeite für das Geld, das ist mein Geld. Und du tust einen Scheißdreck. Gib mir mein Geld und zwar dalli.«
    Während er in der Kneipe war, rief sie Aisha an, aber es sprang nur der Anrufbeantworter an. Bei Shamira war auch niemand zu erreichen. Sie beschloss, zu Simone zu gehen, die ein paar Straßen weiter wohnte. Hugo konnte mit Joshua spielen. Sie wollten gerade los, als Gary zurückkam.
    »Wo wollt ihr hin?«
    »Hugo und ich dachten, wir besuchen Simone.«
    »Hugo mag Joshua nicht.«
    »Doch, er mag ihn.«
    »Nein, tut er nicht. Joshua kneift ihn immer. Stimmt’s, Hugo?«
    »Joshua kneift dich nicht, Schatz, oder?«
    »Er kneift ihn, verdammt nochmal.«
    »Dann musst du Joshua sagen, dass er dich nicht anfassen darf, wenn du es nicht möchtest.«
    »Oh, verdammte Scheiße, was ist denn das für ein Quatsch?«
    »Komm, Schatz. Zieh deine Jacke an.«
    »Ja, Hugo, geh nur, und wenn Joshua dir etwas tut, sag ihm, dass deine Mami ihn verklagt. Sag ihm, deine Mami verklagt jeden, der so etwas macht.«
    Das gab ihr den Rest.
     
    Später, als alles vorbei war, als er aus dem Haus gestürmt und zurück in die Kneipe gelaufen war und sie zerknautscht und vor Erschöpfung zitternd auf dem Bett lag, hatte sie am meisten erstaunt, dass sie beide so getan hatten, als existierte Hugo überhaupt nicht. Sie hatten sich genauso heftig gestritten wie früher, als sie noch keine Eltern waren. Erschreckend war vor allem, dass Hugo weder angefangen hatte zu weinen noch Terror zu machen, sondern einfach ins Wohnzimmer gelaufen war, den Fernseher angestellt, sich direkt davor gesetzt und die Lautstärke hochgedreht hatte. Nur wenn sie stritten, bestand er nicht darauf, im Mittelpunkt zu stehen. Wenn sie stritten, hatte er keine Lust zu konkurrieren. Was hätte das für Auswirkungen? Würde er später Konflikten aus dem Wege gehen? So wie sie? Oder würde er wie Gary werden? Streitsüchtig und provokant? Aber an all das dachte sie erst später im Bett, als Hugo neben ihr lag, die Lippen fest um ihre Brustwarze geschlossen, was sie beide beruhigte. An all das dachte sie erst nach dem Streit.
    Was sie wollte, war ganz einfach: seine Unterstützung. Sie konnte ja verstehen, dass er sich Sorgen wegen der Anhörung machte, dass er Angst hatte, bloßgestellt zu werden. Ihr ging es genauso. Aber sie wollte die Wochen bis dahin mit ihm gemeinsam durchstehen, mit ihm zusammen planen, arbeiten, hoffen. Also war sie ausgerastet und hatte ihn angebrüllt, er solle sich verpissen. Das war alles, ein kurzer Verlust der

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