Nur eine Ohrfeige (German Edition)
hast. Mir ist klar, dass sie nicht kommen kann. Shamira wird uns begleiten.«
Sie merkte, dass Anouk die physische Nähe unangenehm war, also zog sie die Hand zurück.
»Wie geht es den beiden, ihr und Terry, ich meine, Bilal?« Anouk schüttelte den Kopf. »Was soll eigentlich diese blöde Namensänderung? Kann man als Moslem nicht auch Terry heißen?«
Im Grunde war Rosie ihrer Meinung. Warum war Shamira nicht Sammi geblieben und Bilal Terry? Einen neuen Namen anzunehmen, weil man zu einem anderen Glauben übertritt, hatte sie immer als etwas Aufgesetztes empfunden, als wüssten sie, dass sie nie echte Moslems sein würden. Sie dachte an die libanesischen und türkischen Frauen neulich im Park. Eine von ihnen hieß Tina, eine andere Mary. Sie mussten ihre Religion nicht unter Beweis stellen. So wie du, dachte Rosie und sah ihre Freundin an. Du bist als Jüdin geboren. Das ist echt. Trotzdem hatte sie das Gefühl, ihre Freunde verteidigen zu müssen.
»Ich schätze, das ist wie bei der Taufe, man zeigt, dass man die neue Religion annimmt. Man macht es öffentlich, damit die ganze Welt Bescheid weiß.«
»Ich glaube nicht, dass die Welt das interessiert.«
»Ich glaube, es hat Terry einigen Mut gekostet, zu Bilal zu werden.«
»Weil er ein Aborigine ist?«
»Ja.«
Anouk zündete sich noch eine Zigarette an. »Ich weiß nicht, ob ein Aborigine mehr Mut braucht, um Moslem zu werden, als ein Weißer.«
Rosie zuckte mit den Schultern. »Ich schätze, heutzutage braucht jeder Mut, der Moslem werden will.«
»Und Shamira? Ich nehme an, sie ist Muslimin geworden, um Bilal zu heiraten.«
»Nein. Das stimmt nicht. Sie war schon vorher konvertiert. Sie haben sich in einer Moschee kennengelernt.«
»Echt?« Anouk sah sie erstaunt an. »Was zum Teufel bringt eine Rockerbraut wie sie dazu, Muslimin zu werden?«
»Sie hat den Ruf gehört.«
»Den was?«
Rosie fand nicht, dass sie die Richtige war, um das zu erklären. Sie hatte Shamira schon ziemlich früh dieselbe Frage gestellt, womöglich ähnlich verständnislos. Shamiras Antwort war ganz einfach gewesen und in ihrer Einfachheit so schön, dass Rosie das Gefühl hatte, dem nicht gerecht zu werden, wenn sie es jetzt ihrer zynischen, atheistischen Freundin erzählte. Shamira hatte schon damals in der Videothek in der High Street gearbeitet, und irgendwann war ein Afrikaner mit seinem kleinen Sohn hereingekommen, um sich einen Film auszuleihen. Shamira hatte Radio Triple J laufen, doch plötzlich fiel ihr auf, dass der Junge ein Lied sang. Es klang wie ein Gebet. Sie schaltete das Radio aus. Ich fühlte mich auf einmal ganz leicht, Rosie, hatte sie gesagt. Ich habe ein Licht gesehen und einen tiefen Frieden verspürt. Als sie an den Tresen kamen, fragte sie, was für ein Lied der Junge singe, und der Mann lachte und antwortete, es sei kein Lied, sondern ein Vers aus dem Koran, den sein Sohn gerade lerne. Shamira erinnerte sich an jede Kleinigkeit: die zinnoberrote Gebetsmütze des Vaters, der abgebrochene Vorderzahn des Jungen, und dass sie den
König der Löwen
ausleihen wollten. Und weißt du was, Rosie, hatte Shamira ihr anvertraut, als ich abends nach Hause kam und meine Mutter und Kirsty mir ein Bier und etwas zu rauchen anboten, habe ich zum ersten Mal in meinem Leben nein gesagt. Seit meinem zwölften Lebensjahr habe ich Gras geraucht und mich volllaufen lassen. Aber diesmal habe ich nein gesagt. Ich wollte einfach im Bett liegen und an den Gesang denken. Wirklich, so war es, so hat es angefangen. Ich musste mir natürlich einen Haufen Mist anhören. Es war gar nicht leicht, die Leute zu überzeugen, dass ich es ernst meinte. Die Libanesenmädchen in der Schule dachten, ich spinne. Meine Mutterauch. Kirsty versteht mich bis heute nicht. Aber ich habe Gott gehört, er hat zu mir gesprochen.
Rosie goss Anouk noch ein Glas Sekt ein. »Ich habe keine Ahnung, warum sie konvertiert ist. Frag sie selbst. Warum wird man religiös?«
»Angst vor dem Tod. Ignoranz. Mangelnde Fantasie. Such dir was aus.«
Du bist hart. Du bist hart, Anouk. In diesem Augenblick hörten sie ein penetrantes Hupen und drehten sich um. Aisha winkte aus ihrem Wagen und deutete an, dass sie einen Parkplatz suche. Anouk zeigte in Richtung Promenade. Die Autos hinter Aisha fingen ebenfalls an zu hupen. Aisha nickte und fuhr weiter. Rosie gab dem Kellner ein Zeichen und bat um ein weiteres Glas.
Aisha machte einen aufgewühlten Eindruck. »Mir ist gerade der Teufel begegnet, in Person einer
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