Nur eine Ohrfeige (German Edition)
allein auf dem Abenteuerspielplatz herumkletterte. Als Shamira das auffiel, rief sie Ibby zu, er solle Hugo mitspielen lassen.
Lass das, dachte Rosie verärgert. Hör auf, meinen Sohn zu beschämen. Sie stand auf und lächelte. »Es war sehr nett, euch kennenzulernen, aber wir müssen jetzt gehen.«
Als Shamira aufstehen wollte, hielt Rosie sie zurück. »Schon gut. Ein kleiner Spaziergang tut uns bestimmt gut.«
Die Wahrheit war, dass sie Aisha vermisste. Sie verspürte eine fast kindische Wut auf sie. Dies war der Moment, in dem ihre Freundin hätte zu ihr stehen müssen. Es war der Moment in ihrem Leben, wo sie sie am meisten brauchte. Sie wusste, dass sie ungerecht war. Aisha – und auch Anouk – hatten ihr durch die Scheidung ihrer Eltern geholfen und durch den Verlust des Hauses, und sie hatten sich um sie gekümmert, als sie damals nach Melbourne gezogen war. Sie waren da gewesen, als sie aus London zurückkam, nachdem ihr Vater sich umgebracht hatte. Aisha war auf der Beerdigung gewesen. Ja, es war ungerecht, aber so empfand sie nun mal. Shamira war nett zu ihr, aber sie hatten keine gemeinsameVergangenheit. Connie war hilfsbereit und warmherzig, aber sie war ein Teenager. Ich fühle mich einsam, dachte Rosie, als sie mit ihrem Sohn an der Hand die Heidelberg Road überquerte. Seit Hugos Geburt war ihr Umfeld auf ihre Familie und einige wenige Freunde zusammengeschrumpft. Es war bestimmt mehr als ein Jahr her, dass sie sich mit ihren ehemaligen Kolleginnen getroffen hatte. Du bist mein Leben, Hugo. Sie wollte den Gedanken nicht laut aussprechen, und er brauchte es sicher auch nicht zu hören, aber es stimmte. Er war ihr Leben, ihr ganzes Leben.
Als sie nach Hause kamen und auf dem Anrufbeantworter eine Nachricht von Aisha war, freute sie sich umso mehr und war auch unglaublich erleichtert. Rosie, wie geht’s dir? Hast du Lust, am Donnerstag mit Anouk und mir etwas trinken zu gehen? Ruf mich an. Wir denken beide an dich. Kuss.
Es fühlte sich an wie ein Date. Sie wollte sowieso vor dem Gerichtstermin noch zum Friseur, also rief sie, nachdem sie mit Aisha telefoniert hatte, bei Antony an und ließ sich einen Termin geben. Es war genau das, was eine Frau brauchte. Antony machte einen Riesenwirbel, kaum dass sie durch die Tür getreten war, schob sie in einen Stuhl und beschwerte sich lautstark, sie habe sich gehen lassen. Sie kicherte. Als er nach Hugo fragte, erzählte sie ihm, dass in einer Woche die Anhörung stattfände.
»Scheiß auf die Anhörung, scheiß auf die Anwälte. Ich ruf einfach meinen Cousin Vincent an, der kümmert sich um das Schwein und schneidet ihm die Eier ab.«
Antony wandte sich an seinen Assistenten. »Stell dir vor, dieser Scheißkerl hat Rosies Sohn geohrfeigt. Einfach so.«
Der Assistent stand mit offenem Mund da und war offensichtlich entsetzt.
Antony nickte mit grimmiger Miene. »Ganz genau, wir sollten diesen Wichser umbringen. Entschuldige bitte meine Ausdrucksweise, aber genau das sollten wir tun.«
Sie tat das Richtige. Definitiv.
Sie kam als Erste in die Bar und bestellte spontan eine Flasche Sekt. Anouk würde bestimmt rauchen wollen, also setzte sie sich an einen der Tische draußen auf der Straße und überprüfte kurz ihr Spiegelbild in der Fensterscheibe. Antony hatte ihr die Haare wie immer kurz geschnitten, bis auf einen Pony, der ihr schräg über die rechte Wange fiel. Ihr gefiel das, es sah ein bisschen nach zwanziger Jahre aus. Sie trug ein altes weißes Herrenhemd von Gary und darüber eine blaue Samtweste, die sie sich irgendwann in den Neunzigern gekauft hatte. Ihr Rock, teuer, kurz, schwarz und schick, war von David Jones, aus der Zeit vor Hugo. Mit großer Freude hatte sie festgestellt, dass er noch passte. Zufrieden lehnte sie sich zurück. Niemand konnte ihr vorwerfen, sie sähe heute noch aus wie ein Hippie.
Anouk kam nur wenige Minuten nach ihr, in einem Männeranzug. Sie ließ sich die Haare langwachsen, und die dichten schwarzen, graugesträhnten Locken fielen ihr auf die Schultern. Grinsend bewunderten sie sich gegenseitig.
Anouk küsste sie auf die Wange.
»Du siehst toll aus.«
»Du auch. Zum Anbeißen.« Anouk zündete sich eine Zigarette an und nickte dem jungen Kellner dankend zu, der ihr unauffällig ein Glas hingestellt hatte und es jetzt füllte. »Bist du nicht mit Aisha gekommen?«
»Du kennst doch ihre Arbeitszeiten.« Rosie hob ihr Glas. »Ich hab die Straßenbahn genommen und lass mich nachher von ihr mit nach
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