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Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Titel: Nur eine Ohrfeige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christos Tsiolkas
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heutzutage seien erniedrigend. Daraufhin hatte eine Amerikanerin geantwortet, wenn es auch nur einen Terroristen aufhielte, sei sie mehr als froh über jede Stunde, die sie in einer Schlange darauf wartete, sich die Taschen durchsuchen zu lassen. Der Italiener hatte irgendetwas auf Italienisch gemurmelt, die Amerikaner mischten sich überall auf der Welt ein oder so ähnlich, gefolgt von einem neapolitanischen Ausruf, der so viel bedeutete wie »gerechte Strafe«. Leider hatte ein Däne, der ebenfalls mit am Tisch saß und fehlerfrei Italienischsprach, das als »unerträglichen Schwachsinn« abgetan. Was den Italiener nur noch mehr auf die Palme brachte. Er sah in die Runde und fragte in akzentfreiem Englisch: »Ist es da ein Wunder, dass die dänischen Frauen jeden Sommer in den Süden strömen und nach echten Männern suchen?« Die darauffolgende Entrüstung legte sich erst ein wenig mit dem brüllenden Gelächter eines chinesischen Abgesandten, dem man den wütenden Wortwechsel hatte übersetzen müssen.
    Art hatte neben Aisha gesessen, und an dieser Stelle hatte er sich vorgebeugt und seine Bemerkung geflüstert. Dann hatte er sich umgesehen und atemlos wie ein kleiner Junge gefragt: »Meine Güte, wie kriegt die UNO auch nur irgendetwas auf die Reihe?« Aisha hatte laut aufgelacht, ein so offenes, klares Lachen, dass die Beleidigungen zwischen dem Italiener und dem Dänen für einen Moment verstummten. Aber nur für einen Moment.
    »Stimmt«, hatte Aisha Art zugeflüstert. »Wir sind gerade mal der Internationale Tierärzteverband und kommen nicht miteinander klar. Ich glaube nicht, dass diese Welt eine Zukunft hat.« Da hatte auch er gelacht und dabei seinen Arm auf die Rückenlehne ihres Stuhls gelegt. Eine scheinbar unbewusste, unschuldige Geste, die in ihrer Vertrautheit trotzdem gewagt schien. Und aufregend.
    Er war ihr sofort aufgefallen. Wie wahrscheinlich jeder anderen Frau auf der Tagung auch, zumal er unverschämt gut aussah. Erst dachte sie, er sei vielleicht Europäer, aber der Nachname auf seinem Namensschild war unverkennbar chinesisch, Xing. Art Xing. Es klang wie der Name einer Band, die Hector gut fand.
    Nach dem Essen hatte sie ihn gefragt, wo er herkam.
    »Ich bin Kanadier.«
    »Ja, klar«, hatte sie hervorgestoßen, die Augen verdreht und auf das rot-weiße Ahornblatt auf seinem Schild gezeigt. »Aber was ist Ihr ethnischer Hintergrund?«
    »Ich dachte immer, das sei eine typisch kanadische Frage. Wie ich sehe, seid ihr Australier genau wie wir.« Er grinste sie herausfordernd an. Sie musste sich zwingen, seinem Blick standzuhalten.Am liebsten hätte sie auf ihren leeren Teller runtergesehen. Es kam ihr absurd vor, doch sie war fast ein wenig benommen von seiner Schönheit. Werde endlich erwachsen, sagte sich Aisha, du bist kein bescheuerter Teenager auf einem Beatles-Konzert, du bist Anfang vierzig und hast zwei Kinder.
    »Mein Vater ist Chinese der dritten Generation aus Toronto. Meine Mutter ist Tschechin.«
    »Ach du liebe Güte.« Ihre Reaktion erschien ihr dümmlich, seine Erklärung hatte allerdings auch irgendwie unpassend geklungen.
    »Ja.« Er lächelte. »Sie haben sich in Prag kennengelernt, mein Vater war dort Diplomat. Sie können sich vorstellen, was es damals für ein bürokratischer Albtraum gewesen ist, beide Länder dazu zu bringen, eine Ehe zu bewilligen, doch wahre Liebe setzt sich ja bekanntlich durch. Womit ich sagen will, dass mein Vater meine Mutter auf einem diplomatischen Flug nach Paris illegal aus dem Land gebracht hat und dafür vom diplomatischen Dienst gefeuert wurde. Von dem Tag an hatte er Gelegenheit, es auf dem freien Markt zu einem unglaublich erfolgreichen Geschäftsmann zu bringen und sich als vorbildlicher Chinese zu erweisen.«
    »War das vor dem Prager Frühling?« Ein jämmerlicher Versuch. Plötzlich überkam sie die Angst, er könne ein ganzes Stück jünger sein als sie.
    Er lachte. »Aber sicher, lange davor. Ich fühle mich geschmeichelt. Ich bin zweiundvierzig.« Er sah sie auffordernd an. »Und Sie?«
    »Was?« Erwartete er etwa, dass sie hier am Tisch ihr Alter herausposaunte?
    »Was ist Ihr ethnischer Hintergrund?« Er zog die Vokale absichtlich lang, um sie zu ärgern.
    »Mein Vater wurde in Lahore geboren. Seine Familie flüchtete nach der Teilung nach Bangalore. Meine Mutter stammt aus einer angloindischen Familie.«
    »Sie sind Hindu?«
    »Ursprünglich ja. Ich bin Atheistin.« Sie lächelte verschmitzt. »Falls man das heutzutage laut

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