Nur eine Ohrfeige (German Edition)
einfach klingeln?«, meinte sie mit einem schelmischen Grinsen. Sie war wieder die junge Frau von früher.
»Ja, warum nicht?«
Das Klingeln schien minutenlang zu dauern, es wollte gar nicht mehr aufhören. Als es endlich vorbei war, merkte er, dass er den Atem angehalten hatte.
Koula stand auf. »Ich mach dir das Essen warm.«
Er nickte.
Aus der Küche hörte er, wie sie den Ofen anzündete und mit dem Geschirr klapperte. Koula begann zu singen, er beugte sich vor, um sie besser hören zu können. Es war ein alter Gassenhauer, den er zum ersten Mal als Wehrpflichtiger in Athen gehört hatte, als er sich mit Arbeitern und Soldaten mit billigem Ouzo betrunken hatte.
»Eines Tages werden wir sagen können, geschehen ist geschehen.
Und vielleicht wird irgendwann auch mal für uns die Sonne scheinen.«
Er sprach die Worte lautlos vor sich hin, umklammerte dabei sein Knie, zuckte kurz zusammen und erhob sich dann. Er kippte seinen Cognac runter, stellte das Glas auf den Couchtisch und ging in die Küche, um seiner Frau beim Tischdecken zu helfen.
AISHA
Sie sah auf die Uhr, holte tief Luft und rechnete nochmal nach. Hector war vor einer Stunde aus Melbourne losgeflogen. Ihr eigener Flug hatte Verspätung und ging wahrscheinlich erst in zwei Stunden, was bedeutete, dass er mindestens drei Stunden auf dem Flughafen von Denpasar auf sie warten musste. Er würde schlechte Laune haben. Vielleicht sollte sie ihm eine Nachricht am Flughafen hinterlassen oder eine SMS schicken, dass sie sich gleich im Hotel in Ubud treffen sollten. Am besten war es, keine Panik aufkommen zu lassen – jedenfalls jetzt noch nicht. Die frustrierten Touristen um sie herum, die meisten von ihnen junge Männer und Frauen in schwarzen Tanktops und Shorts, starrten aufgebracht in Richtung Informationsschalter und warteten auf eine Durchsage. Aisha stand auf und hängte sich die Tasche über den Arm. Sie wollte weg von dem Gejammer und dem Gestank nach Bier und schwitzenden Menschen. Sie bewegte sich auf das Meer von Neonlichtern am Ende des Ganges zu. Bangkoks internationaler Flughafen schlief nie. Sie konnte genauso gut shoppen gehen.
Nicht, dass sie etwas gebraucht hätte, aber darum ging es beim Duty-Free-Shopping ja auch nicht. Not und Elend waren nach draußen verbannt, vor die Mauern des Flughafens. Hier drinnen wurde das Verlangen nach Überfluss zelebriert. Sie betrat eine kleine Boutique und wurde sofort von einer jungen Thaifrau bestürmt. Sie verneigte sich, hob aber entschlossen die Hand und winkte ab. Das Mädchen flitzte schnell wieder hinter den Tresen und flüsterte der anderen Verkäuferin etwas zu. Sie kicherten. Nach einer Woche Thailand hatte Aisha gelernt, dass die Frauen hier offenbar die ganze Zeit flüsterten und kicherten. Es hatte nichts mit Respektlosigkeit oder Unhöflichkeit zu tun. Trotzdem fand sie es extrem nervig. Sie hatte jedes Mal das Gefühl, sie würden über sie lachen.
Sie zog einen Rock aus dem Regal und betastete ihn. Der Stoff fühlte sich weich und edel an, aber das Muster war ein wildes Durcheinander knallbunter, sich beißender Farben. Ihr wurde fast schwindelig. Da war ihr Indien schon lieber, die fröhliche, aber auch schnell gekränkte und manchmal regelrecht hinderliche Art der indischen Händler war ganz anders als das ergebene, übereuphorische Lächeln der Thais. Aisha sah auf. Die zweite Verkäuferin kam auf sie zu. Sie drehte sich auf dem Absatz um und lief aus dem Laden. Und die Stoffe in Indien waren definitiv besser.
Das unaufhörliche Dudeln emotionsloser orientalischer Musik aus den Lautsprechern wurde von lautem Knistern und einem Wortschwall auf Thai unterbrochen. Eine weiblich klingende, fast zänkische Männerstimme wiederholte die Durchsage dann auf Englisch und forderte die Passagiere des nächsten United Airlines Fluges nach San Francisco auf, sich für einen weiteren Security-Check umgehend zu ihrem Gate zu begeben. Die Durchsage endete mit einem zaghaften Kichern. Aisha schmunzelte. War es nur, weil er Thai war, oder hatte sie da etwa Schadenfreude herausgehört? Um sie herum griffen erboste, aber sich ihrem Schicksal fügende Amerikaner nach ihrem Handgepäck und trotteten müde in Richtung Sicherheitskontrolle.
»Fliegen ist seitdem jedenfalls kein allzu großes Vergnügen mehr.«
Art hatte das bei ihrem ersten gemeinsamen Essen in Bangkok gesagt. Einer der italienischen Tierärzte hatte sich beschwert, die ständigen Sicherheitskontrollen an Flughäfen
Weitere Kostenlose Bücher