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Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Titel: Nur eine Ohrfeige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christos Tsiolkas
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zusammen. Manolis wusste nicht, ob er jemals einen Menschen gesehen hatte, der so erschöpft aussah.
    »Gott ist ein Flachwichser.«
    »Was sagst du da?« Georgia kam mit einem Tablett herein. Manolis wollte aufspringen, aber sie gab ihm ein Zeichen sitzen zu bleiben.
    »Du weißt genau, was ich gesagt habe.«
    Georgia ging nicht darauf ein. Sie bot Manolis einen Kaffee an und gab auch ihrem Mann eine Tasse in die Hände. Als sie anfingen zu zittern, hielt sie sie fest.
    »Gott hat unseren Sohn nicht getötet. Diese Gangster waren es.«
    »Dann ist Gott vielleicht auch ein Gangster.«
    Manolis war beschämt. Es gab nichts, das er seinen Freunden hätte entgegnen können. Er schlürfte seinen Kaffee und schwieg. Als ihm bewusst wurde, dass Georgia ihn ansah, blickte er auf. Sie nickte verständnisvoll.
    »Wir verstehen schon, Manoli, was gibt es groß zu sagen? Das Schicksal hat uns erwählt und unsere Herzen verfinstert.« Sie sah ihren Mann an. »Und ihn hat es krank gemacht.« Die Worte kamen ihr erstaunlich emotionslos über die Lippen, als erzählte sie eine Geschichte, die sie auswendig kannte und der sie überdrüssig geworden war. Sie berichtete ihm, dass Giannis sich mit den falschen Leuten eingelassen hatte, Leuten, die Drogen verkauften. Dass sie ihren Sohn auf die schiefe Bahn gebracht hatten. Dass sie ihm vor der Tür ein Loch in den Kopf geschossen hatten und dass seine kleinen Kinder seine Leiche gefunden hatten. Sie sprach von Drogen, von Gangstern und von Dealern, und all das klang lächerlich aus dem Mund dieser alten Frau. »Er steckte bis zum Hals mit drin«, endete sie schließlich mit Worten, die nicht ihre waren. »Diese bösen Menschen haben ihn zerstört.«
    Dimitris knurrte. Georgia ging zu ihm und tupfte ihm etwas Kaffee aus den Mundwinkeln. Er schlug ihre Hand weg und wischte sich selbst über den Mund.
    »Er war ein Idiot. Er wollte unbedingt ein großes Haus, eine Villa, einen Swimmingpool, einen neuen Mercedes, die besten Fernseher, die besten Möbel. Er wollte, dass seine Kinder auf Privatschulen gehen und seine Frau Juwelen trägt, er wollte alles. Er hat alles bekommen und ist daran zugrunde gegangen.«
    Georgia fing an zu weinen. Dieser Schmerz würde nie vergehen.
    »Hör auf, Georgia.«
    Die alte Frau rieb sich die Augen und versuchte ein Lächeln. »Wie geht es Koula? Wie geht es Ecttora und Elisavet?«
    Jetzt wusste er, was er zu sagen hatte. Die Worte purzelten nur so aus ihm heraus. Er erzählte von seinen Kindern, den Enkeln, ihren Erfolgen und, ja, auch ihren Misserfolgen. Georgia hielt seine Hand, während er von Elisavets Scheidung sprach. Ihre Augen leuchteten, als er Adam, Melissa, Sava und Angeliki beschrieb.
    »Du solltest mal unsere Enkelkinder sehen. Giannis’ Kinder sind die reinsten Engel.« Sie stand auf und holte ein paar gerahmte Fotos von einer Kommode. »Das ist Konstantinos. Er geht zur Universität«, erklärte sie voller Stolz.
    Manolis betrachtete das Bild. Der Junge machte einen guten Eindruck, er war ungefähr achtzehn, trug Hemd und Krawatte, ein echter Gentleman, und er lächelte frech in die Kamera.
    »Ein hübscher Junge.«
    »Ein guter Junge.« Dimitri umklammerte die Armlehnen seines Rollstuhls und holte tief Luft. Er schnaufte und sprach dann weiter. »Er ist klüger als sein Vater. Ich bin stolz auf ihn.« Manolis gab Georgia das Foto zurück.
    »Wir haben uns gut geschlagen.« Dimitri hustete und hielt sich wieder an seinem Stuhl fest. Der Krampf ließ nach. »Haben wir doch, oder, Manoli?«
    Er sah seinen sterbenden Freund an. Hatte sein Blick etwas Fragendes? Nein, es war eine Feststellung, keine Frage.
    »Das haben wir. Wir haben überlebt.«
    »Cognac?«
    Manolis sah nach draußen in den Garten. Langsam brach die Dunkelheit herein.
    »Warum nicht?«
    Nach dem Cognac half er, Dimitris zurück ins Bett zu bringen. Als er sich zu ihm herunterbeugte, um ihn auf die Wange zu küssen, roch er seinen faulen Atem. Er wurde von innen zerfressen.
    An der Tür drehte er sich zu Georgia um. »Er gehört in ein Krankenhaus.Er braucht Ärzte und Krankenschwestern, die sich um ihn kümmern.«
    »Eine Schwester kommt zweimal die Woche. Ich kann mich um ihn kümmern.« Georgia zuckte mit den Schultern. »Das ist Schicksal, Manoli, ich kann nichts dagegen tun. Ich will nicht, dass ein Fremder ihn wäscht und hinter ihm herräumt. Ich bin seine Frau, ich bin verantwortlich für ihn.«
    »Ich komme wieder. Bald. Und dann bringe ich Koula mit.«
    »Bitte. Ich

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