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Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Titel: Nur eine Ohrfeige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christos Tsiolkas
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lade euch zum Abendessen ein. Das würde Dimitris guttun. Er vermisst seine Freunde.«
    Sind wir Freunde? »Es muss kein Abendessen sein. Ein Kaffee, etwas zu trinken. Mehr brauchen wir nicht.«
    »Natürlich koche ich etwas. Glaubst du etwa, ihr kommt uns besuchen und kriegt nichts zu essen?«
    Ihm schwirrte der Schädel. Schon wieder verloren sie sich in Höflichkeit und Etikette. Lass uns einfach reden und zusammen sein, lass uns nachholen, was wir in den letzten Jahrzehnten versäumt haben, weil unser Leben von Nichtigkeiten und falschem Stolz bestimmt war. Manchmal hasste er ihre Rituale. Manchmal wünschte er, er könnte Australier sein.
    »Hast du einen Stift?«
    Sie quetschte sich durch den Flur und kam mit einem Stift zurück. Er holte seine Fahrkarte aus der Hemdtasche. »Eure Telefonnummer?«
    »Neun-vier-zwei-acht.« Sie zögerte. »So was Dummes. Es hat schon lange niemand mehr danach gefragt.« Dann fielen ihr die letzten vier Ziffern ein, und Manolis kritzelte sie auf sein Ticket.
     
    Der Abendhimmel war klar und die Luft jetzt kühler. Er lief von der Bahnstation nach Hause, ohne auf die Schmerzen in seinem Knie zu achten.
    Als er durch die Tür trat, stand Koula mit den Händen in den Hüften im Flur.
    »Wo zum Teufel warst du?«
    Er schob sie beiseite, ging zum Barschrank und goss sich einen Cognac ein.
    »Bist du betrunken?«
    »Nein.«
    »Ecttora hat angerufen. Er ist stocksauer auf dich. Die Inderin war total aufgebracht. Was hast du zu ihr gesagt?«
    »Dass sie zu Harrys Party kommen soll.«
    »Gut so. Wie hat sie reagiert?«
    »Sie hat gesagt, dass sie nicht kommt.« Manolis trank den Cognac in einem Zug aus. Er schmeckte erst grauenhaft, dann süß, und allmählich kehrte das Gefühl in seine Glieder zurück. Er zog die Jacke aus.
    Koula schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Warum muss sie uns so erniedrigen?«
    »Sie ist jung.«
    Koula sah ihn erstaunt an. »Willst du sie auch noch verteidigen?«
    »Nein.« Er goss sich ein zweites Glas ein.
    Koula warf ihm einen argwöhnischen Blick zu. »Elisavet hat auch angerufen. Sie ist genauso wütend.«
    »Weswegen?«
    »Weil du die Inderin zum Weinen gebracht hast.«
    Er schloss die Augen und sah einen gut aussehenden, frechen jungen Mann in Hemd und Krawatte. Dimitris und Georgia hatten schon so viel einstecken müssen. Irgendwann musste das Schicksal doch ein Einsehen haben. Die nächste Generation würde bestimmt verschont bleiben. So grausam konnte Gott nicht sein.
    Aisha hatte geweint? Sie hatte
geweint
.
    »Ich rufe Ecttora morgen an. Ich kümmere mich darum.«
    Er würde sich entschuldigen. Er würde »sorry« sagen. Zwar ohne es ernst zu meinen, aber sie würde seine Entschuldigung dankbar annehmen und ihm verzeihen. Warum nicht? »Sorry« war nur ein dummes kleines Wort.
    »Ruf jetzt an. Er ist wirklich sehr aufgebracht.«
    »Scheiße, Koula, ich rufe morgen an. Die können sich ruhig mal eine Nacht aufregen. Wenn sie das schlimm finden, dann wissen sie nicht, wie gut sie es haben. Die können mich mal. Wir haben auf sie aufgepasst, wir haben sie erzogen, wir haben alles für sie getan. Und ich bin froh darüber, dass sie ein gutes Leben haben. Aber jetzt will ich ein einziges Mal so tun, als hätte ich nie Kinder gehabt. Ein einziges Mal will ich sie einfach vergessen.«
    Koula bekreuzigte sich. Sie sah ihn voller Verachtung an. »Was redest du denn da? Du solltest dich schämen.« Sie klopfte gegen den Türrahmen. »Möge Gott dir vergeben.«
    »Ich war bei Dimitris und Georgia.«
    Die Verachtung in ihrem Blick wich aufrichtigem Mitleid. »Wie geht es den Ärmsten?«
    »Dimitris hat Krebs. Er liegt im Sterben.«
    Koula sank auf die Couch. Sie sah wie eine Puppe darauf aus. Es war lächerlich, wie verschwenderisch groß alles bei ihnen war.
    »Wozu brauchen wir so eine riesige Couch?«
    Koula schnaubte missbilligend und nickte in Richtung Barschrank. Manolis goss ihr einen Cognac ein, reichte ihn ihr und setzte sich auf den Sessel gegenüber.
    Seine Frau blickte in ihr Glas. »Es gibt keine Gerechtigkeit auf dieser Welt, was, Manoli?«
    Er schwenkte den goldenen Drink und atmete den scharfen Geruch ein.
    »Nein.«
    Das Telefon riss sie aus ihren Gedanken. Sie sprangen beide auf.
    »Das sind sie.«
    »Wahrscheinlich«, erwiderte er.
    »Sie wollen bestimmt wissen, ob du nach Hause gekommen bist. Und bestimmt wollen sie mit dir reden.«
    »Wahrscheinlich«, sagte er nochmal.
    Sie nippte an ihrem Cognac. »Warum lassen wir es nicht

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