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Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Titel: Nur eine Ohrfeige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christos Tsiolkas
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»Mein Onkel hat es mit seinen eigenen Händen gebaut«, wiederholte Nick und verzog das Gesicht zur Grimasse. »Ich muss es schaffen.« Aufgeregt wandte er sich an Richie. »Und du weißt, was es bedeutet, wenn wir hier landen, oder? Dann sind wir besser als die ganzen reichen Arschlöcher aus den Privatschulen. Wir haben es geschafft, weil wir die Besten sind, weil wir clever sind – nicht, weil wir dafür bezahlt haben.« Richie hatte genickt, ohne die Begeisterung seines Freundes ganz nachvollziehen zu können. Aber im Bus auf dem Weg nach Hause hatte Richie auf einmal eine Ahnung davon bekommen, welch komplizierte, vielfältige Möglichkeiten die Zukunft für ihn bereithielt.
    Er sah aus dem Fenster auf die schimmernden Gehwege der nördlichen Vororte, und plötzlich ergab alles – Glück, Zufall, Schicksal und Wille –, alles ergab einen Sinn für ihn. Und das machte ihm Angst. Entweder kam Nick auf die Uni oder nicht. Entweder sie studierten zusammen oder nicht. Das war nur ein Strang aus einer Vielzahl von Möglichkeiten und der einzige, der für ihn eine Rolle spielte. Er sah zu seinem Freund rüber. Nick starrte nach vorn. Er wirkte ganz ruhig. Doch Richie sah, dass seine Hände zitterten. Der Schmerz in seiner Brust, die Kugel, die ihn wie in Zeitlupe zerriss, dieser Schmerz, der nie vergehen durfte, das war Liebe, oder? Was sollte es sonst sein. Es war eine Gewalt wie ein Urknall, der ihn in unendlich viele Stücke zerreißen und auslöschen würde. Richie hielt die Luft an und blickte aus dem Fenster.Wenn er es bis sechzig schaffte, langsam, ohne zu schummeln, wenn er sechzig Sekunden die Luft anhalten konnte, dann bekäme Nick seinen Studienplatz in Medizin, er würde Geomatik studieren, und sie wären an derselben Uni, hätten eine gemeinsame Zukunft. Richie holte tief Luft und zählte bis sechzig.
     
    Am Freitagabend vor dem entscheidenden Dienstag gingen sie ins Palace Westgarth, um
Marie Antoinette
zu sehen. Nick war misstrauisch gewesen, er glaubte, das sei etwas für Mädchen und für Schwule. »Außerdem geht mir viel zu viel durch den Kopf. Ich kann mich auf keinen Film konzentrieren.«
    Richie fragte sich, was wäre, wenn er den Studienplatz nicht bekäme. Wahrscheinlich würde er komplett durchdrehen und sich und alle anderen in die Luft jagen wollen.
    »Der ist mit Kirsten Dunst.«
    Das zog. Im letzten Moment stieß Connie dazu, was Nick noch mehr durcheinanderbrachte. Sie setzten sich in eine der vorderen Reihen, und Connie sorgte dafür, dass Richie in der Mitte saß. Als das Licht ausging und der erste Trailer startete, warf Richie einen Seitenblick auf Nick, der nervös auf seinem Sitz herumrutschte. Während des Films lief er zweimal auf die Toilette, nach dem zweiten Mal roch er nach Rauch. Danach gingen sie eine Eisschokolade trinken. Nick hatte nicht die geringste Meinung zu dem Film. Richie gefiel die Musik, die ganze sinnliche Atmosphäre. Connie fand ihn langweilig, obwohl ihr die Musik auch gefiel. In ihren Augen war Marie Antoinette eine blöde Kuh. Es wirkte fast komisch, wie eilig Nick es hatte, auszutrinken und das Café zu verlassen. Die Jungs brachten Connie noch nach Hause. Normalerweise küsste und umarmte sie Richie immer zum Abschied, doch wenn Nick dabei war, verzichtete sie darauf. Die beiden gingen weiter zu Richie.
    Seine Mutter hatte Besuch von ihrer Freundin Adele, sie saßen in der Sitzecke ihrer kleinen Küche. Die Jungs quetschten sich zu ihnen auf die Bank.
    »Habt ihr was gegessen?«
    Richie schüttelte den Kopf.
    Tracey zeigte auf die Herdplatte. »Ich hab eine Gemüsepfanne gemacht. Ist noch eine Menge übrig. Das könnt ihr euch in der Mikrowelle warmmachen.«
    Nick schoss plötzlich hoch. »Ich muss gehen.« Es klang fast panisch.
    »Na komm, Schatz. Iss erst mal was. Dann kannst du immer noch gehen.«
    Nick schüttelte energisch den Kopf. »Nein«, quiekte er, winkte halb salutierend in Richtung Richie und stürzte den Flur entlang. Sie hörten die Tür zuschlagen.
    Adele lachte dreckig. »Was zum Teufel ist denn mit dem los?«
    Richie schaufelte sich etwas von der Gemüsepfanne auf einen Teller und stellte ihn in die Mikrowelle. »Er ist angespannt«, antwortete er. Er mochte es nicht, wenn man Nick kritisierte. »Wir kriegen am Dienstag unsere Ergebnisse.«
    Adele schmunzelte. Er konnte nicht sagen, ob es sympathisch oder verächtlich gemeint war – bei Adele wusste man das nie. Sie war eher schroff, sah aus, als würde sie zu viel trinken und

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