Nur eine Ohrfeige (German Edition)
aber diesmal wollte er seinen Vater ausnahmsweise nicht provozieren. Er blieb still sitzen und trank ein paar kurze Schlucke von seinem Bier.
Sein Vater spielte mit einer Schachtel Zigaretten auf dem Tisch. »Kommst du mit raus? Ich will eine rauchen.«
Richie nickte. »Krieg ich auch eine?«
Craig zögerte. »Weiß deine Mutter, dass du rauchst?«
»Ich rauch nicht. Nur ab und zu.«
»Erlaubt sie dir das?«
»Ja.«
»Wirklich?«
»Sag ich doch.«
Craig schob ihm eine Zigarette über den Tisch. »Na, dann komm.«
Der Parkplatz war voll mit Rauchern. Es war ein warmer Abend, und kaum standen sie draußen, fing Richie an zu schwitzen und verspürte eine schwammige Feuchtigkeit unter den Achseln. Er sah seinen Vater rauchen. Sie hielten die Zigarette beide gleich. Zwei Finger um den Filter gekrümmt. Rauchten alle so oder nur Craig und er?
»Wolltest du mich loswerden?« Er erschrak selbst darüber, die Frage laut ausgesprochen zu haben.
Sein Vater runzelte die Stirn.
»Hat deine Mutter das behauptet?«
»Nein.« Zum ersten Mal stellte sich Richie seinen Vater als Neunzehnjährigen mit seiner schwangeren Freundin vor. Was machte man, wenn man als Schülerin ein Kind erwartete? Entweder man bekam es oder man trieb es ab. Was hätte er an seiner Stelle gewollt? Dass sie es wegmachen lässt, fertig, aus – etwas anderes kam nicht in Frage. Craig war bestimmt total ausgerastet, als Tracey ihn behalten wollte.
Sein Vater saugte förmlich an seiner Zigarette. Richie überlegte, dass er jetzt siebenunddreißig sein musste. Ziemlich jung für einen Vater mit einem Kind in seinem Alter.
»Es wäre jedenfalls okay. Wenn ich ein Mädchen schwängern würde, wäre ich dafür, dass sie abtreibt.«
Craig lachte. »Ich bin froh, dass deine Mutter es nicht getan hat.«
Sie standen nebeneinander, rauchten und berührten sich fast. Es fühlte sich komisch an, als müssten sie sich jetzt umarmen oder so was. Aber keiner von ihnen wusste, wie das ging.
Irgendwann war sein Vater zu betrunken, um ihn nach Hause zu fahren. Sichtlich irritiert über seine eigenen Worte fragte er ihn, ob er nicht bei ihm übernachten wollte. Zu seiner Überraschung willigte Richie ein. Connie hatte ihm noch eine SMS geschickt, sie war mit Ali in der Stadt. Er sah auf das stahlblau leuchtende Display und schrieb zurück:
Bis morgen
. Sie ließen Craigs Van auf dem Parkplatz stehen und liefen los.
Auf dem Nachhauseweg sprachen sie kaum ein Wort. Richie fragte sich, ob sein Vater dieselbe Beklommenheit empfand wie er. Ihre plötzliche Nähe bereitete ihm Unbehagen. Richie hatte seinen Vater noch nie irgendwo besucht. Und jetzt würde er die Nacht im Haus dieses fast fremden Mannes verbringen.
Allerdings war es kein Haus, sondern eine Wohnung, eine kleine Schrottbude im ersten Stock eines Backsteingebäudes. Craig machte das Licht an und schob Richie durch die Tür. Es stank nach Schimmel und Rauch. Richie sah sich um. Die Wände waren nackt bis auf ein Poster von Tonys Gang aus
Die Sopranos
, das über einem eingesunkenen rotzgrünen Sofa hing. Eines der Polster lagauf dem schokoladenbraunen Teppich, der Bezug war verblichen und fleckig, und die Federn drückten durch den Stoff. Craig legte es zurück an seinen Platz und deutete auf den Sessel gegenüber. Richie setzte sich, und Craig ließ sich aufs Sofa fallen. Er knallte fast mit dem Arsch auf den Boden, Richie musste lachen. Auf dem Tisch standen eine Bong und ein halbvoller Aschenbecher. Craig beugte sich vor und griff nach der Bong.
»Kiffst du?«
»Klar.«
Nach drei Runden war Craig auf dem Sofa eingeschlafen. Richie stand auf, machte die Led-Zeppelin-II-CD aus und ging ins Schlafzimmer. Er knipste das Licht an.
Auf dem Boden lag eine Matratze. Das Laken war abgezogen und das Kopfkissen zusammengeknautscht. Richie öffnete das Fenster und blickte auf das Ziegeldach des Klinkerbaus nebenan. In der Ferne hörte er das Brummen vom Maroondah Highway. Aber ansonsten herrschte eine beunruhigende Stille.
Die Nacht der lebenden Toten
, dachte Richie, das hier ist Zombieland. Er drehte sich um und nahm das Zimmer in Augenschein. Sein Vater hatte seine Klamotten in ein Leinensackgestell gestopft. Unterwäsche, T-Shirts, Strümpfe, alles lag durcheinander. Neben der Matratze stapelten sich Zeitschriften. Richie hockte sich hin und sah sie durch. Ein Fußballmagazin, mehrere Ausgaben von
Drive
und FHM, ein
Penthouse
und jede Menge Pornos. Nervös blickte er zum anderen Zimmer hinüber. Sein
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