Nur eine Ohrfeige (German Edition)
rauchen – was auch stimmte –, und war übergewichtig. Tracey und sie waren schon Freundinnen gewesen, bevor er geboren wurde. Eigentlich war sie wie eine Tante für ihn, und genau deshalb kümmerte er sich auch nicht groß um sie.
Die Mikrowelle piepte, ein Geräusch, das ihm schon immer auf die Nerven ging. Er setzte sich und machte sich über sein Essen her.
»Bist du beunruhigt deswegen?«
Was glaubst du denn? Unsere ganze beknackte Zukunft hängt davon ab. Mit vollem Mund nickte er Adele zu.
»Ihr braucht euch bestimmt beide keine Sorgen zu machen.«
Richie kaute weiter und hoffte, sie würden nicht auf die Idee kommen, über die Zukunft reden zu wollen. Die Zukunft würde ihm in genau vier Tagen ins Gesicht klatschen. Die Zukunft stand unmittelbar bevor: Die Prüfungen waren geschrieben, die Ergebnissestanden fest, jetzt musste man nur noch auf die Zukunft warten. All das hätte er Nick gern erklärt, er wünschte, er könnte ihn irgendwie beruhigen. Aber er wusste nicht wie. Haltet einfach den Mund, dachte er, ich will nichts mehr davon hören. Er nahm einen letzten Bissen, schluckte ihn hinunter und rülpste laut.
»Charmant.«
Er grinste. »Tut mir leid, Mum. War lecker.«
»Was willst du eigentlich studieren?«
Er sah zu Adele hinüber. Die Frage hatte er ihr doch schon mal beantwortet. Sie hatte es vergessen, so wie sie alles vergaß.
»Geomatik. Geoinformatik, um genau zu sein.«
Er genoss ihren verdutzten Blick.
»Was zum Teufel ist das?«
Frag mich was Leichteres. Computer und Karten, einer der trügerischen Pfade durch das Gewirr, das sich Zukunft nennt.
»Es hat etwas mit Karten und Plänen zu tun«, antwortete seine Mutter für ihn und zwinkerte ihm zu. »Die perfekte Wahl.«
Adele war kurz davor, etwas zu sagen.
»Mum«, unterbrach er sie aufgeregt. »Craig will mir einen iPod zum Geburtstag schenken.« Er hatte einfach nur das Thema wechseln wollen. Als er ihre Lippen beben und das kurze Flackern in ihren Augen sah, wünschte er, er hätte den letzten Satz nie gesagt, und Adele würde ihm weitere tausend Fragen über seine Zukunft stellen. Er dachte an seine Liste, die fünf Punkte – hier ging es um den ersten und wichtigsten: Seine Mutter war die beste Mutter der Welt. Und dass er sich umbringen würde, sollte er so werden wie sein Vater.
»Ich hab ihm gesagt, er soll das erst mit dir besprechen«, log er und sah zu ihr hoch. »Du würdest dich vielleicht beteiligen wollen.«
Oh nein
. Wie konnte er nur so etwas Dummes sagen.
Seine Mutter kniff die Lippen zusammen. Sie klopfte auf Adeles Zigarettenschachtel. Adele nickte, und seine Mutter nahm sich eine. Richie wollte protestieren, hielt sich aber zurück. Rauchen ließ sie alt aussehen. Außerdem stank die ganze Küche bereitsnach Tabak. Er sah wieder auf seinen Teller, damit sie seinen finsteren Blick nicht bemerkte.
»Ich hab schon ein Geschenk für dich.« Tracey zündete die Zigarette an und stieß den Rauch aus. »Schon vor Monaten gekauft.« Sie küsste ihren Finger, beugte sich vor und berührte seine Lippen damit. »Ich bin froh, dass du dich gut mit deinem Vater verstehst.«
Er warf ihr eine Kusshand zu und stand auf. »Ich geh ins Bett.«
»Was hast du morgen vor?«
»Ich pass auf Hugo auf. Rosie hat einen Arzttermin, und Connie arbeitet. Ich hab zugesagt.«
Er sah, wie die Frauen sich einen verstohlenen Blick zuwarfen.
»Musst du nicht arbeiten?«
Du weißt genau, wann ich arbeite. Lenin hatte ihm einen Job im Supermarkt im Northcote Plaza besorgt.
»Ich fang erst um eins an.«
Adele machte sich bemerkbar. Er hielt die Luft an und zählte mit dem Rücken zu ihr bis zehn.
»Hey«, hörte er sie rufen. »Sag deinem Vater, ich beteilige mich an dem iPod. Soll er dir lieber gleich einen guten kaufen.«
Er fuhr mit einem breiten Grinsen im Gesicht herum. Adele war eine richtige Tante.
»Echt?«
»Echt.«
Natürlich, sie kannte seinen Vater. Sie waren zusammen zur Schule gegangen.
»Danke!«
Er gab beiden Frauen einen Gutenachtkuss.
Kaum lag er im Bett, zog er drei Notizhefte darunter hervor und blätterte sie durch. Im ersten befanden sich seine selbstskizzierten Karten und Aufzeichnungen zu Priam, einem kleinen Inselkontinent, halb so groß wie Australien, der östlich von Madagaskar im Indischen Ozean lag. Im zweiten, einem schwarzen A3-Buch mit einem verblassten Green-Day-Aufkleber auf dem Umschlag,das seine Mutter ihm zum fünfzehnten Geburtstag geschenkt hatte, steckten sämtliche Karten von
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