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Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Titel: Nur eine Ohrfeige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christos Tsiolkas
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Stundenplans. Er konnte nie still sitzen. Es machte sie jedes Mal ganz nervös, wenn sie mit ihm allein war.
    »Gut«, stieß sie endlich hervor, als ihr bewusst wurde, dass inzwischen eine längere Pause eingetreten war. »Dann bis Donnerstag.« Vielleicht war er auch stoned.
    »Ja, genau, danke, Connie, du bist ein Engel.«
    Ihre Tante zappte durch die Kanäle, vom Irakkrieg über
Big Brother
bis zu einer amerikanischen Krimiserie. Connie nahm ihr die Fernbedienung weg und schaltete wieder auf die Nachrichten. Das verkohlte Gerippe eines Wagens schwelte irgendwo in der Wüste am Straßenrand. Frauen mit Kopftüchern standen schreiend daneben.
    »Bitte mach das aus, Con, ich kann das nicht sehen.«
    Sie schaltete weiter. Zwei Frauen in der Sauna unterhielten sich über Analsex.
    »Um Gottes willen.« Ihre Tante riss ihr die Fernbedienung aus der Hand. Auf dem Bildschirm erschien wieder die Krimiserie.
    Connie gähnte, beugte sich vor und küsste Tasha auf die Wange.
    »Läuft nur Müll, was? Vielleicht sollten wir uns Kabel anschaffen.«
    Jenna hatte Kabel, aber bei ihr wurde auch immer nur gezappt. Connie schüttelte den Kopf. »Da läuft auch nur Müll. Gute Nacht.«
    »Gute Nacht, mein Engel.«
     
    Im Bett lauschte sie den gedämpften Klängen vom Fernseher. Sie ließ das Licht brennen und betrachtete die Bilder an der Wand. Im letzten Sommer hatte sie sich von Robbie Williams, Gwen Stefani, Missy Elliott und Johnny Depp verabschiedet und sämtliche Poster von Film- und Popstars abgehängt. Das einzige Bild, von dem sie sich nicht trennen konnte, stammte aus der
TV Week
, ein kleines Schwarz-Weiß-Foto von Benjamin McKenzie aus
O. C., California
. Es erinnerte sie an Richie, sie hatte es an den Spiegel geheftet. Über ihrem Schreibtisch hing ein großer Druck von London im 19. Jahrhundert, den Tasha ihr zum sechzehnten Geburtstag gekauft und rahmen lassen hatte. Poster gab es nur noch zwei. Auf dem einen war ein von Stacheldraht durchzogener blauer Wüstenhimmel zu sehen, ein Protest gegen die menschenunwürdigen Bedingungen von Flüchtlingen in Australien. Sie hatte es im vorigen Jahr bei einer Antirassismus-Kundgebung geklaut. Das andere war ein Bild von einem arabischen Kind mit einer Zapfpistole an der Schläfe. Darüber stand in roten Buchstaben auf Arabisch und Englisch NEIN ZU BUSHS KRIEG UM ÖL. Zara hatte es ihr zum sechzehnten Geburtstag geschickt. Alles andere waren Fotos von Leuten, die sie kannte: Tasha im blauen Regenmantel mit einem riesigen schwarzen Schirm in der Hand; Richie, der in seinem uncoolen Thank-Drunk-I’m-a-God-T-Shirt manisch in die Kamera grinste; sie mit Jenna und Tina, aufgebrezelt für eine Party; Zara im weißen Kapuzenpulli mit Kurt-Cobain-Aufdruck; ein Foto von ihr aus der Zehnten, so ziemlich das einzige, auf dem ihre Beine nicht dick wirkten. Dann das Foto von ihren Eltern, auf dem sie aussahen, als hätte sie sie nie gekannt. Ihr Vater war dünn wie ein Streichholz, seine Haare bis auf eine Tolle kurzgeschnitten und wasserstoffblond gefärbt, und ihre Mutter trug grellen Eyeliner, Lippenstift und einen Iro. Sie sahen aus wie Gangster, aber nicht wie in einem Rap-Video oder einer Coca-Cola-Reklame, sondern wie romantische Outlaws aus der Mitte des letzten Jahrhunderts. Ihre Mutter hatte weiße Seidenstrümpfe an und eine Brosche mit der japanischen Kaiserflagge am entblößten BH. Ihr Vater rauchteeine Zigarette, trug ein weißes Hemd, den oberen Knopf aufgeknöpft, und eine dünne schwarze Krawatte. Er grinste blöd in die Kamera, während ihre Mutter ihn voller Bewunderung anschaute. Direkt darüber hing ein Bild von der letzten Weihnachtsfeier, alle waren ein bisschen betrunken und lächelten steif. Sie saßen im Halbkreis um einen Tisch, Aisha in der Mitte, und sie und Hector jeweils an einem Ende. Er trug einen Anzug, elegant wie immer, und er sah verdammt gut aus. So gut, dass es wehtat. Ihr Blick wanderte von ihrem Vater zu Hector und dann zurück zu ihrer Mutter und zu sich selbst. Auf dem Foto sah sie Hector an, und zwar genau mit demselben Gesichtsausdruck wie ihre Mutter. Wie kam es, dass ihr das vorher nie aufgefallen war? Sie wurde rot und knipste schnell das Licht aus.
    Lisa schlief auf ihrem Kissen und miaute empört. Sorry, Kleine, flüsterte sie und kraulte sie unterm Kinn. Es kratzte an der Tür. Sie wartete. Bart schob die Tür auf und huschte über den Teppich. Mit einem Satz war er auf ihrem Bett, sie hob die Decke, damit er sich zu ihr kuscheln konnte.

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