Nur einen Kuss, Kate!
sich ausgiebig und lächelte. “Ist der Kaffee nicht herrlich? Ich fühle mich wie neugeboren, deshalb verzeihe ich Ihnen Ihren Frühstücksraub und mache noch eine Portion für uns beide.”
Er starrte sie entgeistert an. Wer zum Teufel war dieses unverschämte, ärmlich gekleidete und bemerkenswert selbstbewusste Mädchen mit den schönen großen Augen? Und wie kam es, dass sie eine Bajonettwunde nicht nur erkannte, sondern ganz gelassen blieb, wenn doch jedes andere Frauenzimmer erschrocken wäre, mit Tränen reagiert oder es gar vermieden hätte, ihn anzusehen?
Und wer war dieser Jemmy, von dem sie gesprochen hatte? Jemmy mit der Narbe, der offenbar in ihrer Schlafkammer nicht fehl am Platz war?
Sie verspeisten eben die letzten Bissen, als die Tür aufging und ein dunkler, untersetzter Mann eintrat. Ein Blick auf Kate, und ein strahlendes Lächeln erhellte sein dunkles Gesicht.
“Señorita.”
Kate lächelte und reagierte mit einem Kopfnicken.
Er hob prüfend die Nase und ließ einen tiefen, sehnsüchtigen Seufzer hören. “Ach, Kaffee.”
Kate lachte auf. “Möchten Sie eine Tasse, Sir?”
“Die
Señorita
ist sehr liebenswürdig.” Sein Lächeln wurde breiter.
Kates Grübchen zeigten sich. “Dann setzen Sie sich doch. Ich bringe Ihnen eine Tasse.” Sie stand auf und holte die Kaffeekanne.
Als die zwei Männer ein Gespräch auf Spanisch anfingen, erstarrte Kate. Da sie nach drei Jahren in Spanien und Portugal beide Sprachen einigermaßen beherrschte, verstand sie jedes Wort.
“Major Jack, wer ist die kleine Maus mit den hübschen Augen und dem schmutzigen Gesicht?”
Kate besah ihr Spiegelbild in einem Löffel und wischte mit einer Serviette ihr Gesicht ab.
“Wenn ich das wüsste, Carlos. Sie gehört zum Personal meiner Großmutter.” Jack Carstairs sagte es gleichgültig und gelangweilt.
“Dünn ist sie.”
“Vermutlich hat sie seit Wochen nichts Anständiges mehr zu essen bekommen”, erwiderte die tiefe Stimme. “Möchte wissen, was meine Großmutter mit diesem armseligen Ding anfängt.”
Kate errötete vor Unwillen.
“Aber hübsch ist sie”, fuhr Carlos fort. “Sie hat sehr schöne Augen und braucht nur etwas Fleisch auf den Knochen. Ich mag es, wenn eine Frau sich weiblich anfühlt.”
Jack Carstairs brummte. “Du denkst zu viel an Frauen.”
“Ach, Major Jack, sagen Sie das nicht, Sie mit Ihrem hübschen Gesicht und den blauen Augen, die alle Damen dahinschmelzen lassen.”
Unwillkürlich fasste Jack nach seiner Wange.
“Ach, der kleine Kratzer wird Sie vor der Aufmerksamkeit der Frauen nicht retten. Er wird nur …”
“Halt den Mund, Carlos”, fuhr Jack ihn an.
Schweigen breitete sich aus. Kate steckte noch ein paar Scheite ins Feuer. Ihr Gesicht glühte rosig.
“Ja”, fuhr Carlos fort, “die Kleine ist flach wie ein Brett, aber mit reichlichem Essen werden ihre Kurven sich köstlich runden.”
Kate erstarrte. Wie konnten sie es wagen, so über sie zu sprechen? Sie war nicht unberührt, nicht mehr, aber das konnten diese beiden nicht wissen.
Keine Frau, die mit einer Armee durchs Land gezogen war, konnte sich jene Unschuld bewahren, die man bei jungen unverheirateten Engländerinnen voraussetzte. Aber die meiste Zeit hatte sie unter dem Schutz des Vaters und ihrer Brüder sowie unter jenem der Soldaten gestanden, die sie kannten. Kate, die sich frei unter den Uniformierten bewegt hatte, sich um ihre Verwundungen gekümmert, für sie Briefe an ihre Lieben geschrieben und sie mit Suppe und freundlichen Grüßen gelabt hatte, war damals vor jenen Kränkungen sicher, denen sie nun im Haus eines sogenannten englischen Gentleman ausgesetzt war. Wenn auch in einer fremden Sprache.
Carlos' Stimme drang wieder in ihr Bewusstsein. “Und wenn diese Rundungen wachsen, werde ich da sein, um ihnen zu huldigen. Ich, Carlos Miguel Riviera.”
“Das reicht!” Jack schlug einen barschen Ton an. “Du wirst nichts dergleichen tun.”
“Aber, Major Jack …”, Carlos lächelte, als ihm ein Licht aufging. “Sie haben es also selbst auf das Mädchen abgesehen?”
“Nicht im Entferntesten”, entfuhr es Jack scharf. “Ich interessiere mich nicht für Personal. Aber ich möchte, dass du die Finger von ihr lässt. Sie steht in den Diensten meiner Großmutter, verstanden?”
Die Männer der Coldstream Guards kannten diesen Ton, und keinem wäre es eingefallen zu widersprechen oder nicht zu gehorchen. Carlos hob beschwichtigend die Hand. “Nein, ich werde mit dem
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