Nur einen Kuss, Kate!
erinnern, obwohl er natürlich wusste, dass ich Engländerin war. Ich wurde seine Gefangene … und seine Geliebte.”
Kate, die errötete, brachte es nicht über sich, die alte Dame anzusehen.
“Ich entdeckte, dass ich den ganzen Monat mit ihm zusammengelebt und mit ihm in seinem Zelt geschlafen hatte.” Sie errötete noch tiefer. “Ich weiß, dass es stimmt, da ich mich daran erinnern kann. Sie dürfen nicht denken, dass er ein schlechter Mensch war. Auf seine Art hatte er mich sicher gern, aber ich schwöre Ihnen, dass mir erst einen Monat nach Salamanca klar wurde, was geschehen war, und da war es zu spät.”
Sie atmete bebend ein und fuhr fort, entschlossen, alles zu offenbaren. “In Lissabon wurde ich daraufhin als Hure des Franzosen … und als Verräterin beschimpft.”
Lady Cahill gab einen erschrockenen Laut von sich.
“Verräterin, weil ich verwundete Franzosen pflegte, doch konnte ich nichts Schlechtes darin sehen. Es waren genauso Menschen wie unsere Männer – erschöpft, hungrig, von Schmerzen geplagt, voller Sehnsucht nach ihren Lieben. Dies bereue ich nicht …”
Sie zuckte mit niedergeschlagenem Blick die Achseln. “Nun wissen Sie alles.” Etwas lauter setzte sie hinzu: “Aber ich willigte niemals ein, Henris Geliebte zu werden. Er sagte zu mir, er sei mein Ehemann, und ich glaubte ihm. Ich sah einen Ring an meinem Finger, von dem ich nicht wusste, wie er dorthin geraten war. Damals konnte ich mich nicht einmal auf meinen Namen besinnen. Er war sehr überzeugend, als er sagte, ich sei seine englische Frau. Wissentlich habe ich nie …”
“Still, mein Kind. Keine Angst, ich zweifle nicht an deinem Wort.”
Kate sah sie mit feuchten Augen zweifelnd an.
“Pst, Mädchen”, sagte die alte Dame barsch und klopfte Kate aufs Knie. “Als ob ich nicht wüsste, dass du die Anständigkeit in Person bist.”
Kate holte lang und bebend Atem. Tränen zitterten an ihren Wimpern. “Dann sind Sie die Einzige, Madam, da mir sonst niemand glaubte. Man hielt mich für eine sittenlose Person, für eine Lügnerin und Verräterin.”
“Unsinn. Wer auch nur etwas Verstand hat, sieht, dass du nichts dergleichen bist. Du hast nichts Unrechtes getan. Und ich bewundere dich dafür, dass du die feindlichen Verwundeten gepflegt hast. Sag mir, wie bist du wieder hinter die englischen Linien gelangt?”
“Wie ich schon sagte, kehrte mein Gedächtnis wieder, als Henri englische Gefangene verhörte. Ich brauchte ein paar Tage, um herauszufinden, was passiert war, und Fluchtpläne zu schmieden. Dann stahl ich ein Pferd und ritt auf alliiertes Territorium. Es war nicht schwierig, die französischen Linien von hinten zu überschreiten, da eine Frau weniger Verdacht erregt als ein Mann.” Sie errötete. “Aber Sie sehen jetzt sicher ein, dass ich weder in die Gesellschaft eingeführt werden noch heiraten kann.”
“Ich sehe gar nichts ein”, widersprach Lady Cahill. “Es gibt keinen Grund, warum jemand davon erfahren müsste.”
“Es ist allgemein bekannt”, sagte Kate. “Sechs Wochen nach dem Tod meines Vaters stieß ich wieder zu englischen Truppen. Natürlich wurde ich verhört, weil man mich für eine Spionin hielt. Einige der Offiziere, die mich einvernahmen, glaubten mir den Gedächtnisverlust nicht, andere waren nur an dem interessiert, was ich ihnen über die Franzosen sagen konnte. Es sollte geheim gehalten werden, doch als ich nach Lissabon kam, wussten alle Bescheid”, schloss sie verbittert.
Nun trat anhaltendes Schweigen ein. “Es ist nicht Eigensinn oder falscher Stolz, die mich abhalten, einen Mann zu suchen”, sagte Kate schließlich. “Seit meiner Kindheit träume ich von Ehe und Familie, aber ich war gezwungen, diesen Traum zu begraben.”
Lady Cahill setzte an, um etwas zu sagen, aber Kate fuhr fort: “In Lissabon bekam ich einen Vorgeschmack von dem, was mich erwartet, sollte ich je wieder versuchen, Zugang zur Gesellschaft zu bekommen. Ich wurde von den Engländerinnen geschnitten, verachtet, sogar angespuckt.” Sie schluckte schwer, als sie an das Geflüster und die verstohlenen Blicke dachte, an die heimliche Neugierde und offene Feindseligkeit.
“Und Männer, die ich kannte und für Gentlemen hielt, wurden zudringlich und machten obszöne Bemerkungen. Sogar Harry, mein Verlobter …” Kate schauderte. Harry hatte sie mit Blicken bedacht, die sie zuvor nie an ihm bemerkt hatte und die sie bis ins Innerste trafen. Er war nicht anders als die anderen.
“Es war so
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