Nur einen Kuss, Kate!
lebensfroh. Ein Mann, dem alle Frauen zu Füßen lagen, von einfachen Mädchen wie Florence und Millie bis zu Damen wie Julia und seiner Großmutter.
Ihr war klar, dass er an Körper und Geist so weit gesundet war, dass er in die Welt zurückkehren konnte, die er bis jetzt gemieden hatte. Eine Welt, in der er unter seinesgleichen und in seinem Element war, und sie fragte sich dumpf, ob er zu Julia zurückkehren würde.
Ich sollte mich für ihn freuen, dachte sie. Und sie freute sich für ihn.
11. KAPITEL
Eines Nachmittags Ende Februar, als eine Reihe schöner Tage das Ende des Winters ankündigte und neben den Schneeglöckchen die Spitzen der ersten Krokusse aus den vernachlässigten Rabatten von Sevenoakes hervortrieben, fuhr eine elegante Karriole am Vordereingang des Hauses vor. Ihr folgte eine noch elegantere sowie ein nobler Reise-Phaeton und mehrere Reitknechte mit edlen Pferden am Zügel. Der sportliche Stil der Gefährte verriet, dass sie von flotten jungen Männern gefahren wurden. Drei Gentlemen stiegen aus und schritten die Eingangsstufen hinauf, während sie gut gelaunt nach dem “irren Jack” riefen und gutmütige Hänseleien über ihre Fahrkünste austauschten.
Kate öffnete – und erstarrte. Besucher hatte sie nicht erwartet, schon gar nicht Angehörige des
tons
. Sie stand reglos da, vom herzlichen Überschwang der Herren ungerührt. Ein kleiner, rundgesichtiger Mann stürmte an ihr vorüber und warf ihr einen schweren Kutschermantel und einen Zylinder zu. Mit einem Blick die Treppe hinauf rief er: “He, Jack Carstairs, alias 'irrer Jack'! Komm aus deinem Versteck, Mann, und gib uns was zu trinken.”
Nun übergab ihr ein großer, hagerer Mann Mantel und Zylinder, ehe er seinem Freund lachend die Treppe hinauf nachlief. Der letzte reichte ihr einen tressenverzierten Militärmantel und sagte ruhig: “Sir Toby Fenwick, Mr. Lennox und Colonel Masterton möchten Mr. Carstairs sprechen.”
Colonel Masterton? Ein Soldat? Womöglich einer, der in Spanien gekämpft hatte? Kate versuchte verzweifelt, ihrer Panik Herr zu werden. Sicher konnte er sie gar nicht richtig erkennen, da sie unter den drei schweren Mänteln so gut wie unsichtbar blieb. “Bitte, wenn Sie im Salon zur Linken warten wollen, Sir. Ich mache mich indessen auf die Suche nach Mr. Carstairs.”
Der Gentleman hob ein Lorgnon an sein Auge, und Kate verkroch sich noch tiefer hinter den Mänteln. Nachdem er seine Musterung beendet hatte, lächelte er unmerklich und betrat lässig den Raum, den Kate ihm gewiesen hatte. Sie verließ die Diele rücklings und warf die Mäntel auf einen Stuhl. Dann sank sie unter Herzklopfen auf dem Mantelstapel zusammen.
Was für eine übertriebene Reaktion, ermahnte sie sich. Warum soll er mich erkennen? Es war lächerlich, anzunehmen, dass ausgerechnet er in Spanien gewesen war und von Kate Farleigh gehört hatte. Sie kannte jedenfalls weder ihn noch einen der anderen Besucher.
Nachdem sie sich gefasst hatte, schickte sie Millie auf die Suche nach Jack, während sie selbst Erfrischungen vorbereitete und Florence im Salon Feuer machen ließ.
Dann fiel ihr etwas ein. Sie rannte hinauf in ihr Zimmer. Nach einigem Suchen im großen Eichenschrank hatte sie das Gesuchte gefunden – ein weißes Häubchen, wie es von älteren Frauen getragen wurde. Sie hatte es vor einiger Zeit dort entdeckt. Sie setzte das Häubchen nun auf, wobei sie darauf achtete, jedes Löckchen darunter zu verstecken, und band es unter dem Kinn ganz fest. Ein Blick in den Spiegel zeigte ihr, dass es ideal war. Das Spitzenhäubchen, dessen Krause ihr fast bis zu den Augen hing, hätte nicht unvorteilhafter sein können. Niemand würde sie erkennen. Sie kicherte. Sie hätte sich ja kaum selbst erkannt.
Sie lief hinunter, nahm das Tablett mit den Erfrischungen und marschierte hocherhobenen Hauptes in den Salon. Jede andere Haltung wäre auch unmöglich gewesen, da sie unter der Krause kaum hervorsehen konnte.
“Brandy – schon besser.” Der größte der Gentlemen sprang auf und nahm die Karaffe und ein Glas vom Tablett.
“Nanu!”, rief der pausbäckige junge Mann. “So geht das nicht. Hier, schenk mir ein!” Auch er nahm sich ein Glas und ließ sich von seinem Freund einschenken. Kate hatte den Eindruck, dass die beiden schon ziemlich angeheitert waren.
Als der dritte auf sie zukam, hielt Kate den Atem an. “Erlauben Sie”, sagte er und nahm ihr das Tablett ab, um es auf einen Tisch zu stellen. Als er sich aufrichtete, traf
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