Nur einen Kuss, Kate!
“Es hat aber geheißen, du würdest nie wieder ein Pferd besteigen können.”
“Nun, Miss Farleigh war anderer Meinung.”
Kate erstarrte. O nein, betete sie insgeheim. Sprich nicht weiter.
“Ihr Bruder wurde dank orientalischer Heilkunst von einer ähnlichen Verletzung geheilt”, fuhr Jack fort. “Sie sagte, ihr Bruder wäre wieder fast vollständig genesen … leider.”
“Wie bitte?”
Jack lieferte die Erklärung. “Miss Farleigh verlor Vater und Brüder im Krieg. Ihre Brüder dienten bei den 83ern. Sie hat niemanden mehr – bis auf meine Großmutter, die nun als ihr Vormund fungiert.”
Für Kate war es wie ein Schlag. Die 83er. Deutlicher hätte man sie nicht identifizieren können. Falls jemand von ihrem Schicksal gehört hatte, war seinem Gedächtnis nun auf die Sprünge geholfen worden.
“Ein Punkt ist mir nicht klar, mein Freund, da ich Miss Farleighs Geschichte ein wenig kenne.”
Kate fuhr auf. Sie schlich an die Tür und lehnte sich atemlos vor Angst dagegen. Der Colonel kannte sie. Er würde Jack nun alles sagen. Sie musste fort. Sie hätte es nicht ertragen, Jacks Gesicht zu sehen, wenn er es erfuhr.
“Ich kannte ihre Brüder und traf in Spanien mehrmals ihren Vater. Auch Miss Farleigh bin ich einmal begegnet, wenn sie damals auch anders aussah. Aber dass du mit den Farleighs verwandt bist, wusste ich nicht.”
“Das bin ich nicht, aber meine Großmutter war die Patentante von Miss Farleighs Mutter.”
“Ach so”, murmelte Francis ironisch. “Eine enge familiäre Beziehung also.”
“Du kennst ja meine Großmutter – wenn sie entschieden hat, dass eine Beziehung eng ist, dann ist sie es.”
Andrew mischte sich ein. “Jack soll in seiner Geschichte fortfahren. Wie war das mit dem orientalischen Arzt?”
“Nun, wie ich schon sagte, berichtete mir Miss Farleigh von ihm und seiner Methode, doch dumm, wie ich war, wollte ich nicht hören.” Er berichtete nun, wie alles gekommen war. “Kurzum – ich kann wieder reiten. Ein schöner Anblick ist es nicht, aber ich halte mich im Sattel. Tubby, alter Freund, du hattest ganz recht. Ich bin ein Glückspilz – dank Miss Farleigh.”
Kates Anspannung lockerte sich ein wenig. Tränen glänzten in ihren Augen. Wenigstens blieb ihm eine gute Erinnerung an sie. Falls er die Wahrheit erfuhr, würde sein Urteil vielleicht milder ausfallen, da er ihr die Heilung seines Beines verdankte.
Die Männer schwiegen nun still, nur gelegentliches Gläserklirren war zu hören. Dann sprach Andrew Lennox, und seine Worte bewirkten, dass Kates Spannung wieder wuchs.
“Francis, du bist Miss Farleigh schon begegnet?”
“Ja, obwohl mir zunächst nicht einfallen wollte, wo ich sie schon sah.”
“Wo war das?”, fragte Andrew weiter.
“Bei der Belagerung von Badajoz”, entgegnete der Colonel kühl.
Kate riss die Augen auf. Badajoz?
“Willst du damit sagen, die Kleine war bei Badajoz?”, fragte Sir Toby erstaunt. “Das halte ich für ausgeschlossen. Es waren keine Frauen in Badajoz … zumindest keine Damen.”
“Doch, Toby, eine Dame zumindest, wofür meine Tante Charlotte ewig dankbar sein wird”, sagte Francis darauf.
Wieder trat Schweigen ein.
“Deine Tante Charlotte!”, schnaubte Sir Toby. “Glaube ich nie! Diese steife Person war nie im Ausland. Vermutlich kam sie ihr Leben lang nie aus London heraus.”
Francis lachte leise. “Stimmt, mein Freund, aber was ist für meine Tante das Kostbarste auf der Welt?”
Nach kurzer Überlegung sagte Andrew: “Dein Cousin Arnold?”
“Und was passierte mit Arnold vor Badajoz?”, fragte Francis geduldig.
“Er wurde verwundet, verlor den Verstand und faselte ständig etwas von einem rettenden Engel.”
Jack ließ einen lauten Ausruf hören.
“Ganz recht”, pflichtete Sir Toby Andrew bei. “Ging uns allen mit seinem Engel auf die Nerven.”
“Tubby”, sagte Francis, “das war kein Engel … das war Jacks Miss Farleigh.”
Kates Knie drohten nachzugeben.
“Was?”, riefen alle drei zugleich aus.
“Ganz recht. Miss Farleigh war mit ihrem Vater am Kriegsschauplatz und kümmerte sich um Verwundete. Sie rettete Cousin Arnold, indem sie seine Armwunde so fest abband, dass die starke Blutung gestillt wurde.”
Kate lehnte sich an die Tür und schloss die Augen. Der arme Junge war Francis Vetter?
“Das Mädchen ist eine kleine Heldin”, hörte sie Sir Toby sagen, der damit das eingetretene Schweigen brach.
“Arnold war nicht der Einzige, den sie rettete”,
Weitere Kostenlose Bücher