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Nur Engel fliegen hoeher

Nur Engel fliegen hoeher

Titel: Nur Engel fliegen hoeher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wim Westfield
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Zeitraffer vorbeiziehen. Erst als er Julia zu schwer wird, küsst sie ihn vorsichtig wach. Sie gehen zur Dusche.
    Gerade will Julia das kalte Wasser anstellen, da hält sie plötzlich inne. »Hast du das gehört?«, fragt sie.
    »Nee.«
    »Da klopft jemand.«
    »Ich höre nichts.« Jonas duscht sich kalt ab.
    Julia öffnet die Tür zum Hausflur. »Ganz deutlich. Da draußen pocht jemand an die Haustür.«
    »Das kann nur Lotte sein. Sie ist vom Einkauf zurück.« Jonas trocknet sich flüchtig ab und bindet ein Badetuch um seine Hüften, während Julia seinen Platz unter der kalten Dusche einnimmt.
    Jonas schließt auf und öffnet die niedrige alte Holztür. Kalte Winterluft schlägt ihm entgegen. Vor ihm stehen grinsend zwei Grenzsoldaten in Uniform mit umgehängter Kalaschnikow. Jonas fällt sofort ein, dass er sich im Grenzgebiet befindet und sich ohne polizeiliche Anmeldung illegal einquartiert hat. Und das mit einer Amerikanerin.
    »Alles okay, Darling?«, ruft Julia von nebenan, schlägt sich ein Handtuch um die Hüften und öffnet die Tür zum Flur. Als sie die zwei Soldaten erblickt, reißt sie das Handtuch hoch und hält es vor ihre Brüste.
    Die Grenzer setzen ein noch breiteres Grinsen auf, und mit einem freundlichen »*n Abend« gehen sie an den beiden vorbei durch den Flur in die Kneipe. Als seien sie hier zu Hause, setzen sie sich an den Tisch gegenüber vom Tresen, stellen ihre Maschinenpistolen neben sich und ziehen die Vorhänge zu.
    In diesem Moment erscheint Lotte in der Haustür, in jeder Hand einen vollen Einkaufsbeutel. Sie sieht die beiden Soldaten in der Gaststube und herrscht sie an: »So geht's aber nicht, meine Herrn. Einfach reinkommen und sich hinplauzen. Oben an der Kirche steht mein Trabi mit einer vollen Einkaufskiste. Die holt ihr mir bitte mal. Vorher gibt's nichts.«
    Die zwei Soldaten schultern schweigend ihre Waffen, Lotte reicht ihnen ihren Autoschlüssel und sie ziehen davon.
    An Jonas und Julia gerichtet sagt sie: »Hoffentlich haben die euch keinen Schrecken eingejagt. Die sind harmlos. Zwei Wehrpflichtige, die hier ihren Grenzdienst abschrubben müssen. Wenn es auf dem Wachturm zu kalt ist, kommen die manchmal zum Aufwärmen in die Kneipe. Eigentlich dürfen sie das nicht.«
    Julia und Jonas ziehen sich an und gehen in die Gaststube. Im vorderen Bereich sitzen inzwischen wieder die beiden Soldaten, schlürfen eine dampfende Suppe und trinken schwarzen Tee dazu. Julia und Jonas gehen wortlos in das hintere Gastzimmer, wo ein breites Eckfenster zur See hin zeigt. Von hier aus können sie die Soldaten zwar nicht mehr sehen, aber ihrer Unterhaltung folgen.
    »So richtig warm ist uns von der Suppe aber noch nicht«, ruft einer der Grenzer der Gastwirtin zu.
    »Willst du Nachschlag?«
    »Ich habe gehört, dass du einen süffigen Glühwein hast.«
    »Ihr seid im Dienst. Soldaten mit Waffe kriegen bei mir keinen Alkohol.«
    »Hast du um diese Jahreszeit etwa Urlaubsgäste? Wir wussten gar nicht, dass du vermietest...«
    Lotte kommt mit einer Flasche Wilthener Weinbrand aus der Küche. »Jeder einen Schluck in den Tee. Dann verschwindet ihr, sonst rufe ich an.«
    Die Soldaten lachen, prosten sich mit den Teegläsern zu. Nachdem sie ausgetrunken haben, nehmen sie ihre Waffen und gehen.
    Lotte kommt aus der Küche, serviert Julia, Jonas und sich eine große Portion duftender Bratkartoffeln mit Rührei. Dazu stellt sie drei frisch gezapfte Biere sowie ein kleines Fässchen Spreewaldgurken auf den Tisch, aus der sich jeder mit einer hölzernen Zange bedient.
    »Sollte euch jemand fragen, wer ihr seid, sagt ihr, ihr seid Verwandte aus Rostock.«
    Julia und Jonas nicken kauend.
    »Selbst hier am Ende der Welt gibt es Leute, die neidisch sind oder sich bei der Stasi anbiedern«, sagt Lotte.
    Als sie mit dem Essen fertig sind, fragt Julia unvermittelt: »Lotte, wäre es nicht ein Leichtes, von hier aus mit einem der Fischerboote, die da unten liegen, nach Dänemark abzuhauen?«
    »Kannste vergessen. Erstens sind die Boote angeschlossen. Zweitens ist der Platz beleuchtet, und einer passt immer auf. Drittens haben alle Fischer, die raus dürfen, entweder ein Seefahrtsbuch oder eine PM 18. Und auch die dürfen nicht spontan losfahren, sondern müssen sich bei den Grenzern telefonisch abmelden - also, welches Boot, wer ist an Bord und wohin.«
    »Was ist PM i8?«
    »Das ist eine polizeiliche Erlaubnis, die den Inhaber berechtigt, mit einem Boot innerhalb der DDR-Hoheitsgewässer zu fahren. Die PM

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