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Nur Engel fliegen hoeher

Nur Engel fliegen hoeher

Titel: Nur Engel fliegen hoeher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wim Westfield
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einem versteckten kleinen Dorf an der Steilküste bei Kap Arkona.«
    »Wunderbar. Nichts wie weg.«
    Sie zahlen, treten vor die Tür und spähen zu ihrem Auto und dem einen Steinwurf entfernt geparkten roten Wartburg. Nichts Verdächtiges ist zu sehen. Nur ein Rentner geht langsam mit seinem Pudel spazieren.
    Plötzlich hören sie laut die Dampfpfeife des herannahenden Zuges. Sie rennen zum Auto, wenden und fahren auf der Fernverkehrsstraße zurück über Lancken-Granitz in Richtung Bergen. Kurz vor Bergen ruft Julia. »Scheiße! Wir hätten nicht ins Cafe gehen sollen. Sieh mal in den Spiegel!«
    Der rote Wartburg folgt ihnen mit hoher Geschwindigkeit, holt auf und hängt sich ganz dreist und offensichtlich an Jonas' Lada. Im Rückspiegel sehen sie zwei triumphierend grinsende junge Typen.
    Sie fahren ins Zentrum von Bergen. Nahe der Kirche sagt Julia: »Halt hier an.« Jonas parkt zwischen zwei Trabbis. Der Wartburg fährt etwa fünfzig Meter weiter und hält am Straßenrand. Die beiden Stasi-Männer bleiben im Auto sitzen.
    »Jonas, zeig mir bitte die Karte. Wo sind wir und wo wollen wir hin?«
    Er nimmt die Karte »Rügen und Hiddensee« von Tourist Verlag aus dem Handschuhfach und faltet sie auseinander. Nachdem er sich vergewissert hat, dass die Verfolger noch immer im Auto sitzen, erklärt er: »Dort oben, kurz vor Kap Arkona, liegt es, ein winziges Dorf namens Vitt. Eigentlich nur ein paar reetgedeckte Häuser in einer Senke an der Steilküste. Die Straße endet vor dem Dorf. Die Wirtin der Kneipe Zum Goldenen Anker kenne ich gut. Da können wir bestimmt übernachten.«
    »Hört sich gut an. Aber nicht mit den Typen im Nacken. Wie kommen wir dorthin?«
    »Wir sind jetzt hier in Bergen und müssen über die Fernverkehrsstraße in Richtung Saßnitz, dann bei Sagard auf die Landstraße abbiegen und immer an der Küste lang nach Norden.«
    »Da werden wir die Schatten nie los. Gibt es eine Alternative?«
    »Die einzige Alternative wäre, von Bergen auf der Nebenstraße über Trent zur Wittower Fähre zu fahren, dort per Schiff überzusetzen und dann über die Halbinsel Wittow nach Vitt zu kommen.«
    »Kennst du den Fahrplan der Fähre?«
    »Im Winter jede volle und halbe Stunde.«
    »Wie viele Kilometer sind es von hier zum Fähranleger?«
    Jonas addiert die Kilometerangaben der Teilstrecken auf der Karte. »Genau 22.«
    »Wie schnell fährt dein Lada?«
    »140 schafft der schon.«
    »Und ein Wartburg?«
    »Nicht ganz so viel, vielleicht 120 oder etwas darüber. Der ist auch langsamer in der Beschleunigung.«
    Julia schiebt den Ärmel ihres Pullovers zurück und tippt etwas in den Taschenrechner an ihrer Uhr. »Wenn wir ab hier mit Tempo 140 zur Fähre rasen, wären wir in neunkommavier Minuten da.«
    »Das ist völlig unrealistisch. Wir müssen erst aus Bergen raus. Und dann über eine schmale Landstraße. Unterwegs kommt noch Trent, ein kleines Dorf, da kann ich nicht mit über hundert durchbrettern.«
    »Nehmen wir eine Durchschnittsgeschwindigkeit von hundert, dann sind wir in dreizehnkommazwei Minuten am Fähranleger.«
    »Immer noch zu knapp.«
    »Versteh doch! Wir müssen in der letzten Sekunde dort ankommen. Die Fähre soll gerade ablegen, der Wartburg muss zu spät kommen. Wir müssen extrem knapp kalkulieren.«
    »Fünfzehn Minuten wären realistisch. Es darf aber nichts dazwischenkommen. «
    »Okay, mit vierzehn Minuten bin ich einverstanden. Ist auf der Straße mit viel Verkehr zu rechnen?«
    »Total tot. Maximal drei Autos pro Stunde. Schlimmstenfalls haben wir einen Traktor mit landwirtschaftlichem Gerät vor uns, dann können wir auf der schmalen Straße schwer überholen.«
    »Es ist jetzt 14 Uhr 35. In zehn Minuten startest du den Motor. In elf Minuten sind wir aus dem Ort raus.« Julia zündet zwei Zigaretten an und reicht eine Jonas. »Du musst ganz langsam an ihnen vorbeifahren, und wenn wir um die Ecke sind, gibst du Gummi.«
    »Eine Frau mit so verrückten Einfällen habe ich immer gesucht.«
    »Ob der Einfall gut ist, wird sich gleich zeigen.«
    Um 14 Uhr 44 drücken beide ihre Zigaretten aus und legen den Sicherheitsgurt an. Der Zeiger der Uhr im Auto springt auf 14 Uhr 45. Jonas startet den Motor.
    »Los geht's«, flüstert Julia.
    Jonas parkt rückwärts aus und fährt betont langsam an dem roten Wartburg vorbei. Hinter der nächsten Ecke gibt er Gas, beschleunigt den Wagen in Richtung Ortsausgang auf über hundert. Von den Verfolgern ist nichts zu sehen. Er schaltet in den fünften

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