Nur Engel fliegen hoeher
einfach hier? Die Kirche steht offen und niemand stiehlt es. Das ist wie ein romantisches Märchen. Und wir beide mittendrin.«
Sie holen ihre Taschen aus dem Wagen und gehen einen steilen Hohlweg, die Liete, hinab nach Vitt. Die winzigen Fischerkaten schmiegen sich in die keilförmige Mulde, die irgendwer in die Steilküste geschnitten hat. Aus den kleinen Sprossenfenstern unter den Schilfrohrdächern scheint warmes Licht. Hier gibt es keine Straße, kein Auto, keinen Parkplatz. Das Dorf grenzt direkt ans Meer. An einem alten, wackligen Steg liegen drei offene Fischerboote aus Holz. Zwei weitere Boote sind auf den steinigen Strand gezogen.
Jonas und Julia gehen auf den Holzsteg. Wolkenfetzen fliehen über sie hinweg. Der Mond ist aufgegangen und gießt sein silbernes Licht über das Meer.
»Das ist genau die gleiche Stimmung wie auf der Ruine in Greifswald. Nur dass es hier viel einsamer ist. Jonas... Es ist so schön, dass es fast weh tut.«
Er blickt ihr in die Augen und sieht, dass sie feucht sind. Sie nimmt wie damals ihren Schal ab, schlingt ihn um seinen Nacken, zieht ihn zu sich heran, flüstert: »Ich hab dich total lieb« und küsst ihn.
»Bevor wir uns hier auf dem Steg die Kleider vom Leib reißen, zeig mir bitte deine Pension.«
Sie gehen wenige Schritte zu einem kleinen Haus.
»Hoffentlich bist du nicht enttäuscht?«
Über der Tür hängt ein alter Anker, daneben ein Schild »Zum Goldenen Anker«. Jonas klopft. Eine kräftige Frau, Mitte dreißig, macht die Tür auf, guckt die Besucher erst misstrauisch an, dann fällt sie Jonas um den Hals: »Mein Gott, was für eine Überraschung! Kommt rein.«
Sie betreten einen kleinen Flur, von dem aus eine niedrige Tür zu einer kleinen Gaststube abgeht.
»Lotte, ich suche ein Zimmer für meine Freundin und mich.«
»Du weißt, dass wir hier offiziell nicht vermieten dürfen. Grenzgebiet und so. Ich habe nur die Mansarde unterm Dach. Wenn euch das reicht?«
Sie steigen eine schmale Holzstiege nach oben. Lotte zeigt ihnen eine kleine Mansarde mit viel Holzgebälk, einer bemalten und von Holzwürmern angefressenen Truhe, einem Spinnrad, etlichen vergilbten alten Fotos von Vitt und seinen Fischern. Das größte Möbelstück in der kleinen Kammer ist ein selbst gezimmertes hölzernes Bett unter einer winzigen Gaube, von dem aus man aufs Meer sehen kann.
»Das ist ja wie im Märchen«, schwärmt Julia. »Hier will ich bleiben. Für immer.«
»Wenn ihr Klo und Dusche benutzen wollt, geht ihr am besten runter in die Sauna. Ich schalte die Heizung an. Fühlt euch wie zu Hause. Wenn ihr Hunger oder Durst habt, findet ihr was unten in der Kneipe. Jonas weiß, wo die Küche ist. Gäste kommen zu dieser Jahreszeit nur selten.«
»Vielleicht kochen wir gemeinsam etwas?«
»Ich will noch nach Altenkirchen einkaufen fahren, das dauert ein bisschen. Erst mit dem Fahrrad nach Putgarten, da steht mein Trabi in einer Scheune. Aber auf dem Rückweg stelle ich das Auto oben bei der Kirche ab.«
»Lotte, willst du statt mit dem Fahrrad mit meinem Lada zu deinem Trabi fahren?«
»Das wage ich kaum anzunehmen.«
»Ich bitte dich darum. Uns haben so ein paar komische Typen verfolgt. Vermutlich Stasi. An der Wittower Fähre konnten wir sie abhängen.«
»Na, dann stelle ich doch glatt deinen Lada in die Scheune. Da ist alles dunkel, den sieht niemand. Am besten, ihr schließt die Haustür ab und zieht die Vorhänge zu, wenn ihr in der Kneipe sitzt. Ich bin in zwei Stunden wieder hier.«
Jonas reicht Lotte seine Autoschlüssel. Sie nimmt zwei Einkaufsnetze und eine hölzerne Fischkiste und geht. Jonas schließt das Haus von innen ab.
»In die Sauna?«, fragt Julia mit leuchtenden Augen.
Jonas nimmt sie auf den Arm und trägt sie in den Duschraum, in den eine kleine hölzerne Sauna eingebaut ist. In Sekundenschnelle reißen sie sich die Kleider vom Leib und fallen sich in die Arme. Julia hält Jonas eng an sich gepresst, schließt die Augen und schlingt die Beine um seine Hüften. Er küsst ihre Augen, ihren Mund, den Hals, ihre Brüste, dann setzt er sie behutsam auf die hölzerne Bank. Es ist warm; Jonas sprüht Eukalyptuswasser auf die Steine. Julia breitet ein großes Badetuch auf der Pritsche aus und streckt sich darauf aus. Seine Lippen wandern von ihren Brüsten zum Bauchnabel und weiter nach Süden.
Sie wissen nicht, wie lange sie schweißgebadet so gelegen haben. Irgendwann schläft Jonas für kurze Zeit ein. Im Traum sieht er die Ereignisse des Tages wie im
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