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Nur Engel fliegen hoeher

Nur Engel fliegen hoeher

Titel: Nur Engel fliegen hoeher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wim Westfield
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Optionen!«
    »Was hat das Leben?«
    »Viele Möglichkeiten. Sollte es dir gelingen, in den Westen zu kommen, gibt es unendlich viele Möglichkeiten. Vielleicht kommen wir beide zusammen. Vielleicht willst du es dann aber auch gar nicht mehr - oder auch ich nicht. Vielleicht bringt dich mein Lebenspartner um. Vielleicht geht er frustriert zurück nach Amerika und du ziehst ganz easy zu mir in die Penthousewohnung.«
    »Und ich Idiot habe geglaubt, du wärst genauso verknallt und wünschtest dir, dass ich zu dir komme.«
    »Stünde ich hier, wenn ich nicht in dich verknallt wäre?«
    »Aber du musst nicht zu einem Mann ziehen, damit du eine Wohnung bekommst.«
    »Hast du eine Ahnung! Marc arbeitet an der US-Botschaft. Der verdient für uns das Geld. Ich bin Studentin und habe kein Einkommen. Wohnung, Auto, Telefon - das kostet alles Geld. Viel Geld!«
    »Kaum ein Student in der DDR hat eine eigene Wohnung, Auto und Telefon.«
    »Du traust mir nicht.«
    »Ich stelle mir nur vor, wie ich als Flüchtling mit leeren Händen bei dir klingele und ein Kaugummi kauender Gl mir die Tür vor der Nase zuschlägt.«
    Julia macht ein abweisendes Gesicht und geht schnell voraus. Jonas holt sie ein, hält sie fest und stellt sich ihr in den Weg.
    »Es sind genau die gleichen Zweifel, die auch du hast.«
    »Jonas, mein Freund ist ein angepasster Spießbürger. Der würde nie auf eine Klosterruine klettern. Und schon gar nicht mit der Stasi um die Wette fahren. Sollte es dir gelingen, zu mir zu kommen, hätte er keine Chance mehr. Ich würde auf der Stelle meine Sachen packen und mit dir ein neues Leben beginnen.«
    »Ist das dein Ernst?«
    »Ja.«
    Eng umschlungen gehen sie auf dem schmalen Weg unterhalb des Steilufers entlang. Zwischen den sandigen Abhängen leuchten weiße Felsen, die Rügensche Kreide. Wo große Kreidebrocken in die Ostsee abgestürzt sind, schimmert der Meeresgrund hellblau bis weiß, und man kann dort tief ins Wasser sehen. Im Spülsaum der Brandung bildet die Kreide jedoch eine schlammige, glitschige Masse.
    Es ist ein sonniger, klarer Wintertag mit tiefblauem Himmel und guter Fernsicht. Jonas und Julia haben fast die Höhe des Leuchtturms Kap Arkona erreicht. Weit voraus am Strand, unterhalb der Steilküste, kommen ihnen zwei Männer entgegen. Jonas vermutet, dass es eine der üblichen Grenzstreifen ist. Nichts Besonderes, aber er möchte möglichst verhindern, dass jemand ihre Ausweise sehen will. Sie wohnen schwarz im Grenzgebiet und haben sich nicht polizeilich gemeldet. Sicher könnte man irgendeine Geschichte erfinden von einem Tagsausflug nach Rügen, aber bei näherem Hinterfragen käme schnell heraus, dass sie in Vitt übernachtet haben. Lotte bekäme Ärger.
    Sie nehmen einen der Kletterpfade, die von Badeurlaubern angelegt wurden, hinauf zum sechzig Meter hohen Steilufer. Ehe die Grenzstreife heran ist, sind sie oben angekommen. Sie winken den zwei Grenzern freundlich zu. Die winken zurück. Jonas und Julia erreichen die Jaromarsburg, eine ehemalige slawische Festung. Zu den zwei Leuchttürmen sowie den militärischen Einrichtungen mit Antennenmasten und Wachtürmen sind es nur noch wenige Schritte. Außerhalb der abgesperrten Sicherheitsbereiche führt ein Trampelpfad zum nördlichsten Punkt der Insel Rügen, dem nördlichsten Punkt der DDR. Dort steht eine Holzbank mit Blick aufs Meer. Julia und Jonas setzen sich, sie raucht zwei Zigaretten an und reicht eine Jonas.
    »Können die Genossen auf den Türmen hören, was wir reden?«
    »Die interessieren sich bestimmt nicht dafür, was die Spaziergänger hier unten plappern. Ich denke, der Funkverkehr auf See ist interessanter. Immerhin grenzen drei NATO-Länder an dieses Meer.«
    »Scheiß auf die NATO. Jetzt habe ich dich. Das ist mir wichtiger.«
    Julia streckt sich auf der Bank aus und legt ihren Kopf auf seinen Schoß. Sie öffnet den Reißverschluss ihrer dicken schwarzen Jacke, die sich in der Sonne aufgewärmt hat. Jonas fährt mit seiner Hand unter ihren Pullover und streichelt ihre Brüste. Julia schließt die Augen.
    Als sie wieder aufblickt, fragt sie: »Darling, was ist das Weiße, das da auf dem Meer leuchtet? Ein großes Schiff?«
    »Das ist Dänemark.«
    »Willst du mich veralbern?« Julia richtet sich auf und setzt sich neben Jonas. »Da hinten, das weiße Licht. Was ist das?«
    * Dänemark.«
    »Unmöglich! Man kann doch nicht das andere Ufer der Ostsee sehen.«
    »Hier ist eine der wenigen Stellen, von der aus man bis nach Dänemark

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