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Nur für dich (German Edition)

Nur für dich (German Edition)

Titel: Nur für dich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
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blickte …
    Wie viele Menschen konnten bereits mit zweiundzwanzig Jahren so sicher sein, die wahre Liebe gefunden zu haben? Ricky war mehr als nur ein Bett- und Zimmergefährte, in den er sich verliebt hatte. Sie waren Seelenbrüder, beste Freunde, Partner, Liebende.
    Liebe war vergänglich, das hatte Thomas schon zuvor selbst erlebt. Freundschaft hingegen ließ sich weniger leicht erschüttern. Auf seinen vorherigen Freund hatte er eifersüchtig aufgepasst und geglaubt, das wäre das sicherste Zeichen für Liebe gewesen. Bei Ricky kannte er keine Eifersucht. Er wusste, dieser Mann gehörte zu ihm, und umgekehrt.
    Sie lächelten einander zu, Ricky wusste, was Thomas gedacht hatte.
    „Warte“, sagte Ricky plötzlich. „Ich habe … ich muss mein Portemonnaie verloren haben.“ Er löste sich aus Thomas’ Arm und begann durch sämtliche Taschen zu wühlen. „Ich hatte es noch, als wir den Club verlassen haben, da hatte ich es kontrolliert. Warte, ich gehe kurz zurück.“
    Bevor Thomas etwas erwidern konnte, hatte sein Liebster sich bereits umgedreht und war um die Häuserecke gelaufen, die sie gerade erst umrundet hatten. Den Blick auf die Straße gerichtet, auf der Suche nach Rickys Geldbörse, folgte er ihm langsam nach.
    „Hey, Arschloch!“
    Er fuhr zurück.
    Raue fremde Stimmen. Betrunkene oder Junkies, bestimmt ein halbes Dutzend, so wie es klang. Sehen konnte er sie nicht, dazu müsste er um die Häuserecke gehen. Dorthin, wo Ricky verschwunden war.
    Paralysiert vor Angst stand Thomas still. Der Puls rauschte so laut in seinen Ohren, dass er nichts mehr hören konnte, seine Knie wackelten. Er musste zu Ricky!
    Dieser Gedanke trieb ihn schließlich voran, doch es war gewiss eine volle Minute vergangen, bevor er es wagte, um die Mauer herumzublinzeln. Er sah dunkle Gestalten, lachend, grölend. Sie traten auf etwas – jemanden – ein, der am Boden lag und keinen Ton von sich gab.
    RICKY!
    Thomas’ Herz setzte für mehrere Schläge aus, bevor es mit dreifacher Geschwindigkeit loszurasen begann. Er konnte nicht atmen. Ricky!
    „Blöder Wichser, das nächste Mal nimmst du Geld mit zum Spazieren, klar?“ Ein weiterer erbarmungsloser Tritt traf die regungslose Gestalt, so hart, dass sie herumgeworfen wurde und nun im Licht einer Straßenlaterne lag. Blut überströmte das geliebte Gesicht, viel zu viel Blut. Der Körper verkrümmt, und die Augen … Sie starrten blicklos in seine Richtung.

    Erst, als die Schlägertypen unisono zu ihm herumfuhren, wurde Thomas bewusst, dass er laut aufgeschrien hatte. Im nächsten Moment begannen seine Beine von selbst zu rennen, und zu rennen … „Ich bin nach Hause, hab meine Sachen geschnappt und bin sofort weitergeflohen“, wisperte Thomas in die Dunkelheit. Colin hatte die Taschenlampe gelöscht, vielleicht, um die Batterien zu schonen, vielleicht, um ihm die Beichte leichter zu machen. Thomas war ihm dankbar dafür, er wollte nicht, dass Colin ihn weinen sah.

„Mir sind regelrecht alle Sicherungen durchgeknallt. Da war eine Stimme in mir, die die ganze Zeit über verlangte, dass ich das Richtige tun solle. Die Polizei rufen. Zu Ricky zurückzukehren. Ihm beistehen, bis der Notarzt kommt. An seiner Seite wachen, auch wenn er vielleicht querschnittsgelähmt oder anderweitig behindert sein sollte, falls … wenn er erwacht. Nichts davon habe ich getan. Ich bin vor seinen Mördern geflohen, und vor seinen toten Augen, die mich anklagten, weil ich ihm nicht geholfen habe. Vor dem Anruf bei seiner Familie, vor der Beerdigung. Vor dem Glück, das ich von einer Sekunde auf die andere verloren hatte. Am meisten aber vor der Gewissheit. Ich habe nie nachgeforscht, ob er tatsächlich umgekommen ist in dieser Nacht. Stattdessen bin ich in den nächstbesten Zug gesprungen, dreitausend Meilen weit bis an die andere Seite des Kontinents geflohen und habe hier ganz neu angefangen. Meine Mutter war im Jahr davor gestorben, mit meinem Vater hatte ich seit Ewigkeiten kein Wort mehr gewechselt, niemand hatte mich dort wirklich vermisst. Weiter zu studieren kam nicht für einen Moment infrage. Stattdessen bin ich Polizist geworden, was ich mir eigentlich noch nicht einmal als kleiner Junge gewünscht hatte. Ich wollte Dealer jagen und Junkies von der Straße holen. Damit weniger Unschuldige zu Tode geprügelt werden, die im falschen Moment dastehen und kein Geld haben, um sich vielleicht ihr Leben erkaufen zu können.“
    Aufschluchzend versuchte Thomas sich von Colin zu lösen,

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